berliner szenen Manni denkt nach

Geistige Gastarbeit

Halb neun war Manni in der Galerie gewesen, mit schwerem Kopf und einem Bluterguss am Knie, den er sich beim Sturz auf den Scheißtreppenstufen vor dem Grill Royal geholt hatte. Er hatte die Lieferung aus Köln angenommen, die neuen Kataloge durchgesehen, die frischen Abgüsse aus der Gießerei ins Lager bringen lassen und zwischendurch immer wieder mit Miami telefoniert wegen des Aufbaus, der nicht vorankam, weil wichtige Teile von Joeys Obama-Mama-Installation bei einem paranoiden US-Zöllner hängengeblieben waren, dem Kunst ziemlich am Arsch vorbeiging.

Fünf nach zehn kam Biene im Q7 angebraust und erklärte, Joe sei heute früh mit dem dringenden Bedürfnis aufgewacht, seine Mutter in Övelgönne zu besuchen, weshalb sie heute nicht mit zu Didis Show in die Zionskirche kommen könne. Auch schon egal. Seit einer Woche fühlte Manni sich sowieso wie Harry Szeemann auf Speed. So was wie dessen Agentur für geistige Gastarbeit im Dienste der Vision eines Museums der Obsessionen schwebte ihm schon lange vor, bloß ohne das Museum. Statt sie auszustellen, müsste man die Obsessionen bis an die Schmerzgrenzen treiben, nämlich leben. In etwa so, wie Harrys Vater es getan hatte, der als Ondulierkönig von Bern in die Geschichte eingegangen war und dem Harry nach dessen Tod eine Ausstellung gewidmet hatte. Gut möglich allerdings, dass das ohnehin längst alle taten, siehe Joey, Biene, Holger und Bärbel. Manni wollte das lieber nicht zu Ende denken. Aber wo er eigentlich blieb, während die anderen rumspannen und sein Geld rausschmissen, war ihm manchmal nicht ganz klar. Ach, Harald, dachte Manni, und wählte noch mal Miami, um den Jungs da drüben richtig Dampf zu machen. SASCHA JOSUWEIT