Wassergesetz über den Damm

Nordrhein-Westfalens grüne Umweltministerin Bärbel Höhn will für einen „ökologisch guten Zustand“ des Wassers sorgen – doch nach Protesten von Landwirtschaft und Industrie blockt die SPD

VON ANDREAS WYPUTTA

Nach monatelangem Zögern macht Bärbel Höhn Ernst: Im Oktober will Nordrhein-Westfalens grüne Umweltministerin dem Kabinett ihren Entwurf für ein neues Landeswassergesetz vorlegen. Damit will die grüne Ministerin die ambitionierten Vorschriften der Europäischen Union in Landesrecht umsetzen: Bis 2015 soll ein „guter ökologischer Zustand“ für Grund- und Oberflächenwasser Standard sein, gibt Brüssel wie das Wasserhaushaltsgesetz des Bundes vor. „Momentan läuft die Ressortabstimmung“, so Höhns Sprecher Leo Bosten zur taz. Im November soll der Entwurf dann im Landtag vorgestellt werden, so der Zeitplan der Ministerialen.

Die Zeit drängt: Höhn habe „ihren Laden nicht im Griff“, ätzt für die Opposition Hans Peter Lindlar, umweltpolitischer Sprecher der CDU. „Wichtige Gesetzesvorgaben kommen nicht voran“, poltert der Christdemokrat – nach den EU-Vorgaben hätte das Landeswassergesetz schon bis Ende 2003 novelliert sein müssen. Sanktionen sind allerdings nicht vorgesehen. Auch die Umweltverbände machen Druck: Sie wollen, dass der novellierte Gewässerschutz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird. „Alles andere wäre eine Katastrophe“, sagt Josef Tumbrinck, Vorsitzender des Naturschutzbundes (NABU) NRW.

Doch gilt der Zeitplan auch im Landtag als denkbar knapp: „Die Zeitachse ist relativ eng“, räumt selbst der stellvertretende Fraktionschef der Grünen, Reiner Priggen, ein – bislang liegt auch den Regierungsfraktionen offiziell nichts vor. Höhns zuständiger Abteilungsleiter Harald Friedrich habe nicht für die nötige Rückendeckung im politischen Raum gesorgt, ist in Düsseldorf zu hören: Die Neuregelung greift tief in Besitzstände von Landwirtschaft, Industrie und Wasserwirtschaft ein. „Es geht nicht nur um die chemische Qualität des Wassers“, sagt Dirk Jansen, Landesgeschäftsführer des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND). Die Agrarlobby wehrt sich gegen Pläne, zehn Meter breite Uferrandstreifen besonders zu schützen und hier jeden Pestizideinsatz wie die Umwandlung von Auwäldern in Ackerflächen zu verbieten – erst am Freitag hat die CDU-Bundesratsmehrheit auch das von der rot-grünen Koalition im Bundestag bereits beschlossene Ackerbauverbot in Überschwemmungsgebieten zurückgewiesen. Und die chemische Industrie sorgt sich besonders um ihre teilweise unzureichende Klärtechnik: Immer öfter finden sich Hormone oder erbgutverändernde Substanzen im Wasser.

Immer wahrscheinlicher ist deshalb eine Verzögerungstaktik der SPD-Landtagsfraktion, die heftige Proteste während des Landtagswahlkampfs fürchtet – Arbeitsplätze rangieren auf der sozialdemokratischen Agenda gerade in Zeiten des Sozialabbaus weit vor dem Umweltschutz. Wahrscheinlich sei ein Beschluss erst nach der Bundestagswahl, ist deshalb aus der SPD-Landtagsfraktion immer öfter zu hören: „Das entscheiden wir 2007.“