Der Riese schläft weiter

Hannover 96 kommt gegen Schalke 04 zum ersten Saisonsieg. Die Laune der Klubverantwortlichen ist dennoch nicht grandios, schließlich kamen nur 34.000 Zuschauer ins neue WM-Stadion

AUS HANNOVERDIETRICH ZUR NEDDEN

„Grottenkick“ oder „geiles Spiel“? Hm. Danach im Wirtshaus wurden beide Extreme ausgelotet. Man war sich partout nicht einig über das 1:0 von Hannover 96 über Schalke 04. Lass uns drüber reden: Ein Verfahren, das maßgeblich dazu beiträgt, dass Fußball zum kommunikativen Kerngeschäft einer Gesellschaft gehört.

Ein „geiles Spiel“ hatten diejenigen gesehen, die angesichts der Situation des Gastgebers vorher kaum gewagt hatten, drei Punkte zu erhoffen. Man wusste halt nicht so recht. Hannover 96 – schweres Auswärtsprogramm, nur ein Heimspiel wegen Umbaus des Stadions – war bislang ja ohne Sieg geblieben, Schalke kannte nichts anderes, seitdem der Trainer nicht mehr Jupp Heynckes, sondern Eddy Achterberg heißt.

Den „Grottenkick“ sahen die, die das wollten, etwa von der zwanzigsten Minuten an, als das Spiel nach dem Motto „Ballverluste im Mittelfeld“ auspendelte. Die müden Schalker beschränkten sich auf die stabile Organisation der Defensive – lag’s an den vier Pflichtspielen in zehn Tagen oder daran, dass die gute Stimmung nach Heynckes’ Rausschmiss verflogen ist? –, die 96er hingegen gerieten allzu oft schon in Schwierigkeiten, wenn ihre Bemühungen einen kreativen Schub verlangten: Sousa misslang vieles, Stajner mangelte es an Genauigkeit, de Guzman war auf der Tarnat-Position nicht so wirkungsvoll wie gewohnt im Zentrum.

Eine leichte Aufmunterung verdankte die Partie nach der Pause in erster Linie dem eingewechselten Böhme. Der war dann auch für die Ecken von rechts zuständig, von denen zwei unmittelbar hintereinander brandgefährliche Folgen hatten. Christiansen, der Torschützenkönig von 2002/2003, war erstmals von Beginn an dabei, rettete nach einem Kopfball von Bordon auf der Linie. Auch mit dem Kopf traf Asamoah nur die Latte.

Der Augenblick, als das Schicksal (oder wie man dergleichen zu nennen hat) beschloss, statt eines phänotypischen 0:0 doch noch einen Gewinner zu küren, war die 81. Minute. Mathis kam für Stajner, Achterberg wechselte für Asamoah Vermant ein. Letzterem ging zwei Minuten später in der Gegend des Mittelkreises der Ball an Mathis verloren. Eine formidable Kombination führte dazu, dass Christiansen von links in den Strafraum passen konnte, wo wiederum Mathis bereit stand und für das Tor des Tages sorgte. In der Restspielzeit strebte Schalke stürmisch eine Korrektur an. Vergebens.

„Gute-Laune-Eddy hat heute keine gute Laune“, eröffnete Eddy Achterberg seine Ausführungen in der Pressekonferenz und wurde hinterher von Journalisten davon in Kenntnis gesetzt, dass Assauer soeben versichert habe, in spätestens zwei Wochen einen Trainer zu haben. Ob das seine Laune weiter trübte, ließ er sich nicht anmerken.

Die der Verantwortlichen bei Hannover 96 dürfte vorerst auch nicht grandios sein. 34.011 Zuschauer wurden offiziell gezählt. Trotz eines zur WM-Arena modifizierten Stadions, das eigentlich die Neugier auch distanzierterer Kreise wecken müsste, trotz eines so genannten attraktiven Gegners war wieder einmal nicht ausverkauft. Wie kommt’s? War nicht stets vom „schlafenden Riesen“ die Rede gewesen, während Hannover 96 dreizehn Jahre in den Tiefen der Zweiten und Dritten Liga fernab vom Scheinwerferlicht verbrachte? Wenn, ja wenn der Verein endlich wieder erstklassig sein würde, prophezeiten die Kenner und Experten, dann würden die Massen strömen, der Zuspruch schier grenzenlos sein. Denkste. Woran liegt’s? Ist die Atmosphäre nicht in Ordnung?

Die ist okay, und niemand hat etwas dagegen, dass das Dach der Arena von außen wahlweise einem krumm, schief und platt gedrückten Gasometer ähnelt oder wie eine frei schwebende Krone aussieht. Möglicherweise sind die Eintrittspreise schuld. Die Stehplätze sind durch Dauerkarten nahezu komplett vergeben, die billigste reguläre Sitzplatzkarte kostet 26 Euro.

Morgen folgt das Nachholspiel gegen Arminia Bielefeld, für das am Freitag 23.500 Karten verkauft waren. Hoffentlich wird man Hannover nicht irgendwann mit Wolfsburg auf eine Stufe stellen müssen, wo die Fans dem Verein trotz Tabellenführung auch nicht die Bude einrennen.