Klinik mit Drehtür

Bremer Studie zeigt: Ein Drittel aller entlassenen Krankenhauspatienten müssen innerhalb von zwei Monaten wieder in die Klinik

bremen taz ■ Die Gesundheitsversorgung ist im Umbruch. Doch wird sie besser? Daran zweifelt der Gesundheitswissenschaftler Bernard Braun. Zwar warnt der Bremer Forscher davor, die Entwicklung schon jetzt zu dramatisieren – doch weisen seine aktuellen Forschungsergebnisse über die Auswirkung der neuen Fallpauschalenvergütung erste Problempunkte aus. Die dürften PatientInnen, Kassen und MedizinerInnen erschrecken: Kranke werden heute zwar schneller entlassen – doch oft landen die selben Personen bald darauf wieder in der Klinik.

Diese Situation dürfte sich mit dem Abrechnungssystem nach Fallpauschalen, das ab 2007 bundesweit gilt, noch verschärfen, meint Braun. Zur Erinnerung: Nach dem Fallpauschalensystem (DRG), an dem sich seit Jahresbeginn bundesweit heute schon 650 von 2.450 Kliniken beteiligen, werden Krankheitsaufenthalte nur noch pauschal vergütet. Die Bezahlung richtet sich dabei nach der Diagnose der Krankheit, statt wie bislang nach der Aufenthaltsdauer entsprechend der Befindlichkeit des Patienten – oder der Klinik, die ihre Betten gerne gefüllt hält.

„Fast jeder vierte Patient war innerhalb von 20 Tagen wieder in stationärer Behandlung“, hat Braun beobachtet. Innerhalb von 60 Tagen nach der Entlassung sei vergangenes Jahr sogar fast ein Drittel der PatientInnen erneut auf Station gewesen. Die Tendenz zur schnellen Wiedereinlieferung gebe es seit der Einführung erster Fallpauschalen 1996.

Damit bestätigt Braun die schlimmsten Befürchtungen von Krankenkassen. Die hatten schon früh den Verdacht geäußert, dass das neue Abrechnungssystem dazu verleiten könnte, statt zwei Hüften auf einmal erst die eine und später die andere zu operieren – und also zweimal die Pauschale abzurechnen. Ob dieser Verdacht jedoch seine Beobachtungen erklären könnte, das weiß Braun noch nicht – der als erster Forscher überhaupt eine solche auf PatientInnen bezogene Untersuchung durchgeführt hat.

Folgen des Umbruchs und der kürzeren Verweildauern in Kliniken hat Braun auch beim Pflegepersonal erforscht. Und auch hier sieht er Anlass zur Besorgnis. Zwar geben noch 87 Prozent der Befragten an, ihre Arbeit sei abwechslungsreich. 67 Prozent fühlen sich im Pflegeteam gut aufgehoben. Doch klagen 65 Prozent zugleich über Zeitdruck – und 25 Prozent gar über nervige Patienten. „Wir wissen, dass der Zeitdruck steigen wird“, sagt Braun, der auch schon PflegerInnen kennt, die 60 Prozent der Kranken als „anstrengend“ empfinden. Neunruhigend auch, dass im Schnitt jede zweite Pflegekraft in einer Klinik, die nach DRG abrechnet, von eher verschlechterten Arbeitbedingungen spricht – die sich oft auch auf den Umgang mit PatientInnen auswirke. ede

Gesundheitspolitisches Kolloquium: 22.10. zu „Auswirkungen der DRGs auf die pflegerische Versorgung“. 20 Uhr, Raum 3260, ZeS, Parkallee 39