Geiz ist doch nicht so geil

Säbelrasseln im Vorfeld des Karstadt-Quelle-Sanierungsplan: Konzernchef fordert „einen echten Solidarpakt“ von Mitarbeitern wie Führungskräften, Gesellschaftern und Banken. Laut Gerüchten sollen über zehn Prozent aller Jobs gestrichen werden

VON NICK REIMER

Karstadt-Quelle zieht es nach Italien. Ab Januar 2005 soll mit einem rund 200-seitigen Katalog die italienische Region Triveneto erobert werden. „Unser Know-how als Marktführer in Europa ist Erfolgsgarant“, erklärt der zuständige Geschäftsführer Manfred Gschwendtner letzte Woche. Ganz so garantiert scheint der Erfolg des Handelskonzern nicht zu sein. Aufsichtsratschef Thomas Middelhoff beschreibt die Lage ganz anders: „Es geht ums Überleben.“

Europas größter Warenhaus- und Versandhandels-Konzern machen Konsumflaute und Geiz-ist-geil-Zeiten zu schaffen. Das operative Geschäft von Karstadt entwickle sich seit Jahren „negativ“, sagte Middelhoff nun dem Spiegel. Im ersten Halbjahr hat der Konzern einen Verlust von 300 Millionen Euro gemacht.

Heute wird der Aufsichtsrat über das Sanierungskonzept des Konzernchefs Christoph Achenbach entscheiden. Morgen will er es dann der Öffentlichkeit präsentieren. Middelhoff machte im Spiegel klar, was das bedeutet: „Dies ist leider mit schmerzhaftem Personalabbau verbunden.“

Konkreter wollte er nicht werden, doch vorab kursieren schon Gerüchte über das Ergebnis. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung zitiert Unternehmenskreise, nach denen von 80.000 Arbeitsplätzen 8.500 gestrichen werden sollen. Im Warenhausgeschäft stehen 6.000 Jobs zur Disposition, im Versandhandel sollen 2.500 wegfallen. In der vergangenen Woche war bereits bekannt geworden, dass auch Angestellte der Karstadt-Tochter Neckermann mit betriebsbedingten Kündigungen rechnen müssen.

Andere Vorabmeldungen besagen, dass nur noch 89 der 180 Warenhäuser im alten Stil weiterbetrieben werden sollen. Der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung zufolge muss Karstadt fünf Kaufhausfilialen komplett schließen, weitere zehn sind von der Schließung bedroht, wenn nicht Käufer oder Partner gefunden werden. Betroffen seien unter anderem die Standorte Kiel und Krefeld. Insgesamt 77 Warenhäuser sollen demnach ausgegliedert werden – aber mit verkleinertem Sortiment langfristig unter dem Konzerndach bleiben. Um das Unternehmen zukunftsfähig zu machen, bedürfe es eines „echten Solidarpakts“ von Mitarbeitern wie Führungskräften, Gesellschaftern und Banken, fordert nun Aufsichtsratschef Middelhoff. Karstadt müsse schneller und flexibler werden, was die Kollektionen angehe, „schlanker im Sortiment, frischer, trendiger und moderner in puncto Auftritt und Optik“.

Karstadt-Quelle soll dem Vernehmen nach auf das Kerngeschäft Warenhaus und Versandhandel zurückgeschnitten werden. So bestätigte ein Unternehmenssprecher, rund 75 Prozent der Anteile an der Karstadt Hypothekenbank verkaufen zu wollen. Die Trennung vom IT-Systemhaus Itellium ist bereits eingeleitet.