Sächsisches Schönrechnen

Der NPD-Erfolg in der Sächsischen Schweiz schreckt Urlauber ab. Der Tourismusverband ist beleidigt. Das Wahlergebnis ist nicht böse – die Medien sind es, heißt es beim Krisentreffen der Branche

aus BAD SCHANDAUMICHAEL BARTSCH

Es gibt eigentlich kein Nazi-Problem in der Sächsischen Schweiz – wenn nicht die Medien darüber berichten würden. Das war der Tenor einer eilig einberufenen Sonderversammlung des Tourismusverbandes Sächsische Schweiz am Sonnabend.

Die Branche ist alarmiert, denn nach dem Erfolg der NPD bei der Landtagswahl vor einer Woche gab es erste Absagen von Gästen und Schmähbriefe im elektronischen Gästebuch. Außer dem CDU-dominierten Tourismusverband war niemand zu dem Krisentreffen im „Haus der Gastes“ in Bad Schandau erschienen – obwohl „alle interessierten Bürger“ eingeladen waren.

„Die Wahlergebnisse geben durch die Darstellung in den Medien Anlass zur Sorge“, sagte Werner Kirschner, Geschäftsführer der Weka-Touristik-GmbH. Klaus Brähmig, CDU-Bundestagsabgeordneter und zugleich Vorsitzender des Tourismusverbandes, beklagt sich, dass Journalisten nur bei Skandalen kämen. Heimatfeste und positive Anlässe würden ignoriert. „Wenn sich der Pistolenrauch verzogen hat, herrscht wieder Funkstille in der Region“, so Brähmig. Seiner Meinung nach sind rechtsextreme Tendenzen in der sächsischen Elbregion keine Besonderheit im Vergleich zu Brandenburg, Baden-Württemberg oder dem Saarland.

Die Teilnehmer des Krisentreffens fanden das Ergebnis der Rechten in Sachsen ohnehin nicht so schlimm. Landrat Michael Geisler (CDU) meinte, die Mehrheit habe schließlich nicht die NPD gewählt. Bürgermeister Frieder Haase aus Königstein rechnete vor, dass sich die absolute Stimmenzahl der NPD seit fünf Jahren nicht erhöht habe.

Schon nach den Kommunalwahlen im Juni dieses Jahres hatten viele CDU-nahe Funktionäre der Region eine „Erklärung zu Weltoffenheit und Toleranz in der Sächsischen Schweiz“ verfasst. „Die Wahlergebnisse der NPD in der Sächsischen Schweiz sind kein automatisches Anzeichen für ein Anschwellen von rechtsextremistischem Gedankengut“, heißt es darin. Sie müssten vielmehr als „Protest- und Warnsignal von Menschen gewertet werden, die sich mit ihren Problemen und Ängsten allein gelassen fühlen“.

Warum die Menschen im idyllischen Elbsandsteingebirge ihrem Ärger immer häufiger mit einem Kreuz bei der NPD Luft machen, analysierte am vergangenen Sonnabend wieder einmal niemand. Solche, die dazu in der Lage gewesen wären, wurden nicht eingeladen. Die „Aktion Zivilcourage“ in Pirna etwa hat ein Papier über die Entstehung rechtsextremistischer Aktivitäten im Raum erarbeitet.

In der Tourismusbranche steht die Sorge um das Image und damit um das Geschäft natürlich über aller Soziologie. Nachdem es trotz erster Absagen nach den Kommunalwahlen mit den Urlauberzahlen deutlich aufwärts ging, häufen sich jetzt Stornierungen und Beschimpfungen via E-Mail. „In solch eine braune Gegend werde ich so schnell nicht wieder meinen Fuß setzen“, heißt es dort etwa. Der durch die Stornierungen entstehende finanzielle Schaden ist noch nicht zu beziffern und wird sich möglicherweise erst in der Folgesaison 2005 konkret auswirken.

Mit einem Musterbrief wollen die Touristikunternehmer nun auf alle Absagen persönlich reagieren. Einige Hoteliers nutzten die Gelegenheit bereits, höhere Fördermittel für die Region einzufordern, und provozierten damit einen offenen Streit. Denn die Sächsische Schweiz wird vom Freistaat in dieser Hinsicht ohnehin schon bevorzugt.

Bei dem Treffen am Wochenende versuchten nur wenige Redner auf soziale Ursachen und eine längst gewachsene rechte Jugendkultur einzugehen. Dem Tourismusverband genügte offensichtlich die Medienschelte, um etwas Salbe auf die braunen Pigmente an der sächsischen Hautoberfläche zu schmieren.