Politiker loben sich selbst

Trotz Verlusten für CDU und SPD, trotz enttäuschender Ergebnisse für Grüne und FDP erklären sich alle zum Wahlsieger - doch hinter den Kulissen wachsen Angst und Unsicherheit

AUS DÜSSELDORFANDREAS WYPUTTA

Spitzenpolitiker aller im Landtag vertretenen Parteien haben gestern den Ausgang der Kommunalwahl als Erfolg gefeiert. Doch während sich in die Statements der Vertreter von SPD und Grünen angesichts miserabler Wahlbeteiligung und des Einzugs rechtsextremistischer Parteien wie der DVU etwa in den Dortmunder Stadtrat immerhin etwas Nachdenklichkeit mischte, feierten FDP und Wahlverlierer CDU das Ergebnis wie einen haushohen Sieg: Besonders der Landesvorsitzende der Liberalen, Andreas Pinkwart, feierte „überglücklich“ 6,8 landesweite Prozentpunkte.

Rot-Grün habe auf Landesebene keine Mehrheit mehr, rechnete der aufgedreht wirkende Professor vor: Die Koalitionsparteien konnten zusammen nur 42 Prozent der Stimmen erreichen. „Die Wähler wollen den Politikwechsel“, glaubt Pinkwart. Fraktionschef Wolff legte nach: Bei der Landtagswahl erwarte er ein „zweistelliges Ergebnis“ – dabei hatten die Liberalen selbst auf dem Höhepunkt des Möllemann-Hypes 2000 nur 9,8 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen können.

Als klarer Wahlsieger präsentierte sich trotz massiver Verluste von landesweit 6,9 Prozent auch Jürgen Rüttgers: „Die CDU ist und bleibt die Kommunalpartei in NRW“, bilanzierte der Oppositionsführer. Die Sozialdemokraten dagegen hätten „das schlechteste Ergebnis seit dem zweiten Weltkrieg“ eingefahren – eine „historische Niederlage“, macht sich Rüttgers Mut.

Dennoch gab Rüttgers weiter den Optimisten: Seine Partei werde bei der Landtagswahl eine „strategische Mehrheit“ erringen, so der Christdemokrat. CDU und FDP verfügten nach den Ergebnissen der Kommunalwahl zusammen mit 50,2 Prozent über die absolute Mehrheit. Und gegen die CDU könne derzeit niemand eine Regierung bilden. Scheinbar selbstbewusst mahnte der Spitzenkandidat in Richtung Bundespartei, „wirtschaftliche Vernunft und soziale Sicherheit“ müssten „in Einklang gebracht“ werden: „Die Anliegen der kleinen Leute aufzunehmen und nah bei den Menschen zu sein, bleibt nach meiner Auffassung wichtige Voraussetzung bei der politischen Gestaltung der unausweichlichen Zukunftsreformen.“

Nachdenklich erschien auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD): „Wir sind nicht fröhlich, aber zufrieden“, sagte der Regierungschef. Gerade im Ruhrgebiet habe die SPD, die mit landesweit 31,7 Prozent selbst im Vergleich zu dem katastrophalen Kommunalwahlergebnis vor fünf Jahren 2,2 Prozent verlor, ein „Comeback gegenüber den desaströsen Einbrüchen von 1999 geschafft“. Der Regierungschef glaubt an den Machterhalt bei der Landtagswahl im Mai. „Die Kommunalwahl war keine Testwahl“, das habe er „im Gegensatz zu den artistischen Positionswechseln meines Herausforderers immer gesagt“. Auch SPD-Landesparteichef Harald Schartau hofft, nach der „Schwarzmalerei des Sommers“ setze sich Realismus selbst mit Blick auf den umstrittenen SPD-Kurs des Sozialabbaus durch: „Die mit Biss geführten Diskussionen sind der Beweis dafür, dass die Partei gewinnen will“, meint der NRW-Arbeitsminister. Doch ob die SPD auch nach den Landtagswahlen noch den Ministerpräsidenten stellen wird, weiß nicht einmal Peer Steinbrück: Die Grünen hätten ihr Wählerpotenzial ausgeschöpft, „wenn nicht noch mehr“, entfuhr es ihm auf Nachfrage. Ein Fehler: Die SPD müsste nach Steinbrücks Logik also mindestens vier Prozent dazu gewinnen, um CDU und FDP zusammen mit den Grünen zu schlagen.

Ähnlich rechnen die Grünen, nach einem Gewinn von drei Prozentpunkten der eigentliche Wahlsieger dieser Kommunalwahl. „Rot-Grün hat eine Chance“, so die Landesparteivorsitzende Britta Haßelmann mit Blick auf die SPD bescheiden. NRW-Parteichef Frithjof Schmidt hatte die 10,3 Prozent seiner Partei zuvor als „Traumergebnis“ gefeiert, nachdem erste Hochrechnungen von nur neun Punkten für Enttäuschung gesorgt hatten. Für Haßelmann bleibt die CDU der klare Wahlverlierer – und mitverantwortlich für die steigende Politikmüdigkeit der Menschen: „Wer sieben Prozent verliert und sich dann zum Sieger erklärt, von dem fühlen sich die Leute doch verarscht.“