Modernes Licht!

Vor 150 Jahren erblickte die erste Bremer Gaslaterne das Licht der Welt. Der neue Bahnhof, Stolz der Hansestadt, wollte beleuchtet sein.

Bremen taz ■ Wer Anfang des 19. Jahrhunderts an den Wallanlagen wohnen wollte, zog in ein dunkles Niemandsland. Von modernen Gaslaternen oder gar elektrischem Licht noch weit entfernt, fiel man im Dunklen schnell mal in einen Wassergraben oder in die Hände von „lichtscheuem Gesindel“. Bürger und Polizei klagten über „allerlei Straßenunfug“, in den Vorgärten wurden tote Tiere abgeladen. „Das alles“, so die einhellige Meinung im Volk, „hätte bei hellem Lampenlichte ganz gewiss vermieden werden können.“

Doch auch der allgemeine Ruf nach mehr Zucht und Ordnung konnte die Herren Senatoren nicht von neumodischer Licht-Technik überzeugen. Während anderswo schon Gaslaternen Einzug hielten, weigerte sich Bremens Senat unter Bürgermeister Smidt beharrlich, die dunklen Öl- und Tranfunzeln in seiner Stadt zu ersetzen: „Warum sollen wir etwas bestehendes Gutes aufgeben?“ Zu groß war die Angst. Denn im Grunde waren sich alle Senatoren sicher, die monströsen Behältnisse für das Gas würden früher oder später in die Luft fliegen. Abwarten war die Devise.

Um nach mehr als 20 Jahren erfolglosen Werbens doch noch den Auftrag zu bekommen, ganz Bremen mit Gaslaternen auszustatten, dachte sich ein adliger Firmenchef aus London 1824 eine Marketing-Kampagne der besonderen Art aus. Er wollte sein eigenes Leben riskieren – und sein Nachtlager auf einem der gefürchteten Gasometer aufschlagen. Allein: Genützt hat es ihm nichts. Staat und Volk waren von der Industrie auch mit solch öffentlichkeitswirksamen Inszenierungen nicht zu besänftigen.

Dass die BremerInnen am Ende doch noch ins rechte Licht gesetzt wurden, hatten sie nur dem 1847 eingeweihten Bahnhof zu verdanken. Der stolze Prachtbau vor den Stadttoren, die Visitenkarte der Hansestadt bedürfe einer standesgemäßen Illumination, so das Argument. Das überzeugte selbst die Eisenbahn-Deputation in der Bremer Bürgerschaft, viel mehr noch als das jahrelange Lobbying der heimischen Industrie, die endlich Gaslicht für ihre Produktionsstätten einforderte.

Und so wurde umgehend ein erstes, bescheidenes Gaswerk erbaut, das neben dem neuen Bahnhof auch die Bahnhofsstraße und die heutige Bürgermeister-Smidt-Straße mit Licht versorgte. Das war den Bremer Bürgern schon bald zu wenig, sie forderten mehr Gas-Licht ein. Bremen wollte gegenüber anderen Städten „von einiger Bedeutung“ nicht wieder ins Hintertreffen geraten. Da aber „in der Staatscasse keine disponiblen Geldmittel“ vorhanden waren, bedurfte es erst eines Kredits in Höhe von 310.000 Talern, ehe das erste große Gaswerk am 23. September 1854 seinen Betrieb aufnehmen konnte. Die Bremer Energieversorgung durch die Stadtwerke Bremen (swb) war geboren.

Danach waren auch Sicherheit und Ordnung in Bremen wieder hergestellt. „Wer gereist ist“, so stand nach der Eröffnung im ‚Bürgerfreund‘ zu lesen, „wird gewiß in keiner Stadt Deutschlands eine solche Abwesenheit der guten Zucht und des Anstandes bemerkt haben, die nun mit Gas so glänzend beleucht wird.“

Jan Zier