Der Kampf um Vollwertigkeit

Der FSV Mainz 05 remisiert gegen Borussia Dortmund und kommt in der Bundesliga auch sonst ganz gut zurecht. Nur ernst wird er immer noch nicht genommen

MAINZ taz ■ Wer einen Mainzer wirklich stinkig machen will, muss ihm nur Komplimente machen. Etwa so: „Das ist ja toll, wie ihr wieder Fußball gespielt habt.“ Für Mainzer klingt das wie Mitleid. Die armen Kicker und ihr Trainer Jürgen Klopp aus Rheinhessen, die einfach nur Spaß haben wollen und sich jedes Mal verausgaben, als gäbe es kein nächstes Mal, sich austoben, Bayer Leverkusen schlagen und gegen Borussia Dortmund einen Punkt holen, aber letztlich dann doch wieder mit Anstand aus der Bundesliga werden absteigen müssen. Genau so, denken die Mainzer, dass alle Deutschen denken, die nicht aus Mainz kommen. Und das sind verdammt viele. „Ich kann das nicht mehr hören“, sagte Niclas Weiland deshalb am Sonntag nach dem 1:1 gegen den BVB. Der Klopp’sche Karnevalsverein will endlich als vollwertiges Mitglied der höchsten Spielklasse anerkannt werden. „Wenn wir nur Nobodys wären, würden wir nicht da stehen, wo wir jetzt stehen“, sagte Mimoun Azaouagh.

Robert Nikolic gewann 1989 mit Borussia Dortmund den DFB-Pokal. Vermutlich weiß David Odonkor, damals gerade den Windeln entstiegen, das nicht. „Ist der jünger als ich?“, scherzte Nikolic. Genau 16 Jahre liegen zwischen dem Mainzer, 36, und dem Dortmunder. Nikolic sah im direkten Duell oft nur die Hacken. Aber es macht ihn froh, Bundesliga-Hacken zu sehen: „Das ist absolut genial.“

Nikolic ist Zeit seines Fußballerlebens ein Nobody gewesen. Vor vier Jahren war er an Darmstadt 98 ausgeliehen worden, was dem Ende seiner Karriere ziemlich nahe kam. Jetzt spielt er Bundesliga, und liest sogar in der Bunten über sich. Ob er denn seinen Beruf verfehlt habe, fragte die Zeitschrift, weil er in mehr als 250 Profispielen noch kein Tor geschossen habe. Das hat er wirklich noch nicht, aber die Unterstellung, er sei „Berufsstürmer“, war für den als soliden Verteidiger geborenen Nikolic fast schon eine Beleidigung. Kurz vor der Halbzeit, der BVB führte durch ein Tor von Koller (9.), wäre dennoch fast Historisches passiert. Dortmunds Torwart Guillaume Warmuz lenkte Nikolic’ krachenden Schuss über die Latte. Zum Glück, wie der Schütze befand: „Ich hab’ eine Serie. Warum soll ich die brechen?“ Strümer Benjamin Auer sieht die Sache ganz anders. Sein Kopfballtreffer zum verdienten 1:1-Endstand sei „einfach eine geile Sache“ gewesen.

Gar nicht geil fand Dortmunds Trainer Bert van Marwijk hingegen, dass Schiedsrichter Franz-Xaver Wack einen Kopfballtreffer von Guy Demel nicht anerkannte. „Fast ein Skandal“, schimpfte der Holländer, der aber auch die wirklich Schuldigen daran fand, dass zum fünften Mal in dieser Saison eine 1:0-Führung nicht zum Sieg reichte: „Der Ball muss zwischen die Pfosten, gegen das Netz.“ Seine Stürmer machten von dieser Empfehlung keinen Gebrauch, obwohl sich aufgrund der Harakiri-Taktik des Aufsteigers zahllose Großchancen boten.

Einige Mainzer mussten sich bremsen, um den Spagat zu schaffen zwischen ihrer Freude über den Punkt gegen die in der Stadionzeitschrift angekündigte „Legende“, andererseits aber auch herauszustellen, dass so etwas für ein vollwertiges Mitglied im Bundesligarat nichts Außergewöhnliches ist. Robert Nikolic ist guter Dinge, dass ein ständiges Mitglied daraus werden könnte, auch wenn er die Mannschaft in einem Lernprozess wähnt, der auch „im zweiten und dritten Jahr“ noch andauere. Der Bekämpfer aller Berufsstürmer schließt nicht aus, dass er dann auch noch auf der rechten Abwehrseite ackert oder den Hacken hinterher sieht. Vielleicht schießt er sogar irgendwann einmal ein Tor. MARCUS BARK