Türkei und Irak auf Annäherungskurs

Erstmals seit 33 Jahren besucht mit Abdullah Gül ein türkisches Staatsoberhaupt den Irak. Die Visite ist nicht nur Ausdruck verbesserter bilateraler Beziehungen, sondern soll auch die Türkeireise von US-Präsident Barak Obama im April vorbereiten

AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH

Lange war darüber geredet worden, mehrmals musste der Besuch verschoben werden, gestern war es so weit. Abdullah Gül, Staatspräsident der Türkei, landete in Bagdad und schloss damit eine Lücke von 33 Jahren, als zuletzt ein türkischer Präsident das Nachbarland besuchte. Dass Gül jetzt nach Bagdad gereist ist, hat aber nicht nur mit den verbesserten Beziehungen der beiden Länder zu tun, sondern auch mit dem bevorstehenden Besuch des US-Präsidenten Barak Obama in Ankara Anfang April. Denn wenn Obama kommt, will die Türkei ihm ein mit der Bagdader Regierung abgestimmtes Konzept für den Rückzug amerikanischer Truppen über türkische Häfen präsentieren und ihre Vorstellung über die Zusammenarbeit mit dem autonomen kurdischen Irak präzisieren.

Eigentlich sind die Beziehungen zu Irak derzeit bestens. Der irakische Premier Nuri al-Maliki war mehrfach in Ankara und die Türkei hofft, ihre Exporteinbrüche auf den Weltmärkten wenigstens teilweise damit kompensieren zu können, dass man einem befriedeten Irak alles verkaufen kann, was dieser zum Wiederaufbau braucht.

Gestört wird die Harmonie bislang durch die kurdische Frage. Angefangen von den Stellungen der PKK im Nordirak über die Frage der Kontrolle von Kirkuk bis hin zur Zukunft des autonomen Kurdistan und seiner Ausstrahlung in die Türkei legte die türkische Regierung in Bagdad bislang immer einen ganzen Problemkatalog vor.

Doch im letzten Jahr hat sich einiges getan. Seit der damalige US-Präsident Bush der Türkei vor eineinhalb Jahren grünes Licht für Luftangriffe auf PKK-Stellungen im Nordirak gab, haben die Amerikaner hinter den Kulissen erfolgreich auf eine bessere Zusammenarbeit zwischen Ankara und der kurdischen Regionalregierung unter Massud Barsani gedrängt. Ministerpräsident Tayyip Erdogans Sonderberater Ahmet Davutoglu pendelte wochenlang zwischen Ankara, Bagdad und Erbil, um Barsanis Unterstützung im Kampf gegen die PKK zu bekommen. Im Gegenzug signalisierte er, dass die Türkei bereit ist, eine autonome kurdische Regionalregierung langfristig anzuerkennen.

Dieser Prozess tritt nun in seine offizielle Phase. In Bagdad wird Gül nicht nur mit al-Maliki und dem Präsidenten Dschelal Talabani zusammentreffen, sondern auch mit dem Regierungschef der kurdischen Regionalregierung, Nechirwan Barsani.

Talabani, der erst vor einer Woche anlässlich der Weltwasserkonferenz in Istanbul bereits Gül getroffen hat, hat gegenüber türkischen Journalisten angekündigt, die kurdische Regionalregierung bereite für Ende April eine Kurdenkonferenz in Erbil vor. Dort sollen Vertreter aller Länder, in denen Kurden leben, zusammenkommen. Auf dieser Konferenz soll die PKK aufgefordert werden, ihre Waffen niederzulegen.

Läuft alles wunschgemäß, wird Obama am 6. April auf eine türkische Regierung treffen, die zum Friedensschluss mit den irakischen Kurden bereit ist und sich als möglicher Unterhändler für die amerikanisch-iranischen Gespräche geradezu aufdrängt.