Ist Mauritius sicher?

EU streitet über Staaten, in die Flüchtlinge abgeschoben werden können. Sanktionen gegen Libyen sollen fallen

BERLIN taz ■ Zwischen den EU-Staaten gibt es Streit über das Kleingedruckte bei der Asylverfahrens-Richtlinie. Ende April hatten sich die Innenminister im Prinzip auf einheitliche Mindeststandards geeinigt. Umstritten war aber das Konzept sicherer Herkunfts- und Durchreiseländer, das vor allem von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) favorisiert wird. Auch die Briten unterstützen die Idee, wollen sogar noch weiter gehende Regeln.

Das Konzept sieht vor, dass Flüchtlinge ohne Einzelfallprüfung in ihr letztes Gastgeberland oder in ihr Herkunftsland zurückgeschickt werden können – vorausgesetzt, dort gelten bestimmte menschenrechtliche Mindeststandards. Auf eine entsprechende Liste wollten sich die EU-Staaten zu einem späteren Zeitpunkt einigen.

Die britische Menschenrechtsorganisation Statewatch hat gestern interne Dokumente veröffentlicht, die zeigen, wie gespalten die EU-Regierungen über diese Frage sind. Die niederländische Ratspräsidentschaft schlägt sieben afrikanische Länder vor – als Grundstock einer Liste sicherer Herkunftsländer, die ständig erweitert werden kann. Die EU-Kommission in Brüssel hält weder Benin noch Botswana, die Kapverden, Ghana, Mali, Mauritius oder Senegal für sicher. Immerhin drei der Länder (Benin, Kapverden und Mali) möchte die rot-grüne Bundesregierung nicht auf der Liste sehen. Mehrere andere Regierungen haben ebenfalls ihre Bedenken angemeldet.

„Das Vorgehen der Ratspräsidentschaft ist außergewöhnlich“, kommentiert Statewatch-Herausgeber Tony Bunyan. Auf die tschechische Regierung sei massiver Druck ausgeübt worden. Sie habe zunächst Vorbehalte gegen die Liste geäußert, dann aber eine positive Stellungnahme nachgeschoben. „Das Schicksal von Menschen, die vor Armut und Verfolgung fliehen, auf einer solch wackeligen Verfahrensgrundlage zu besiegeln, ist unmenschlich und moralisch verantwortungslos“, urteilt Bunyan.

Politische Erwägungen stecken dahinter, das Konzept nicht an der Türkei oder der Ukraine, sondern zunächst an afrikanischen Staaten auszuprobieren. Es ist das Flüchtlingselend auf dem Mittelmeer, das derzeit für aufstörende Fernsehbilder sorgt. Das Drama an der polnischen oder slowakischen Grenze spielt sich dagegen meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab.

In diesem Zusammenhang muss auch die neue Libyen-Politik der Union gesehen werden. In Tripolis geben sich die westlichen Staatschefs die Klinke in die Hand, Mitte Oktober wird dort der deutsche Bundeskanzler erwartet. Die Sanktionen gegen Ghaddafi sollen fallen – im Gegenzug hat der „Revolutionsführer“ sein Land als Pufferzone für die Festung Europa angeboten. Demnächst wird wohl die Liste sicherer Durchreiseländer entsprechend geändert. Bislang führte sie nur die Schweiz auf, nun kommt wohl Libyen hinzu; obwohl Ghaddafi bislang nicht einmal die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet hat.

DANIELA WEINGÄRTNER