„Man hat euch betrogen“

Besitzer von wertlosen argentinischen Staatsanleihen sollen sich an ihren Banken schadlos halten, nicht an der Regierung in Buenos Aires, fordern Solidaritätsgruppen

taz: Sie sagen, die deutschen Privatanleger sollen auf Forderungen gegen Argentinien verzichten. Warum?

Mario Cafiero: Wir wollen den privaten Gläubigern klar machen, dass man sie betrogen hat, als sie argentinische Anleihen kauften. Und wir wollen ihnen erzählen, was mit ihrem Geld eigentlich passiert ist.

Warum betrogen?

Deutsche Kleinanleger wurden von ihren Banken nicht aufgeklärt, welches Risiko sie mit dem Kauf argentinischer Anleihen eingingen.

Bei Renditen von bis zu 13 Prozent konnte sich doch jeder ausrechnen, dass das ein riskantes Geschäft ist. Wie soll man Anleger vor ihrer eigenen Dummheit schützen?

Per Gesetz. In Großbritannien zum Beispiel durften argentinische Papiere nicht an Kleinanleger verkauft werden. Es galt als zu riskant.

Wo ist all das Geld geblieben, das der argentinischen Regierung geliehen wurde?

Es wurde nicht etwa für die Entwicklung unseres Landes benutzt, sondern diente der Spekulation und der Kapitalflucht. Es liegt bei irgendwelchen Banken in London, New York, Frankfurt – und finanziert die Entwicklung der Länder dort. Heute hat Argentinien Schulden in Höhe von 180 Milliarden Dollar. Gleichzeitig sind 150 Milliarden Dollar auf ausländische Konten geschafft worden. Bis heute wurde nicht aufgeklärt, wohin genau die Kredite für Argentinien flossen. Das müsste dringend nachgeholt werden, und zwar so rigoros wie bei den Skandalen um Enron und um Parmalat.

Müssten Sie nicht vor allem bei den argentinischen Banken und bei der argentinischen Oberschicht dafür kämpfen, dass sie das Geld zurückholen?

Es geht hier nicht so sehr um „deutsch“ oder „argentinisch“, sondern generell um eine transparente Neuordnung der Schulden. Alle Gläubiger müssen auf einen Teil ihres Geldes verzichten, weil Argentinien zahlungsunfähig ist. Besonders ungerecht ist nämlich, dass nur die eine Hälfte der Gläubiger auf einen Teil ihres Geldes verzichten muss. Dazu gehören die deutschen Besitzer von argentinischen Staatsanleihen.

Und der andere Teil?

Das sind die Banken und der Internationale Währungsfonds (IWF) – privilegierte Gläubiger.

Im Falle des IWF ist es doch nur gerecht, dass seine Kredite bevorzugt behandelt werden – schließlich verleiht er öffentliches Geld aus den Staatskassen seiner Mitgliedstaaten.

Einerseits ja, andererseits trägt der IWF die direkte Schuld an der Misere: Er hat dem Land ein Jahrzehnt lang zu einem Währungssystem geraten – die feste Bindung des Peso an den Dollar –, das zu dieser Katastrophe führen musste. Bis jetzt hat der Fonds keine Selbstkritik geübt.

Wie soll es jetzt weitergehen zwischen IWF und Argentinien? Kann das Land ohne IWF-Kredite überhaupt noch existieren?

Wir brauchen keine weiteren Kredite, sondern ein Moratorium. Eine Schonfrist also, in der wir keinerlei Kredite bedienen müssen und in der sich unsere Wirtschaft erholen kann. Im Moment leben 50 Prozent der Argentinier unter der Armutsgrenze, 40 Prozent haben keine richtige Arbeit.

Die Regierung erwartet für nächstes Jahr ein Wirtschaftswachstum von über fünf Prozent. Geht es wieder aufwärts?

Das ist ein Wachstum von niedrigstem Niveau. Unsere Wirtschaftsleistung liegt in etwa wieder da, wo sie vor 30 Jahren lag.

INTERVIEW: KATHARINA KOUFEN