Apokalypse nüchtern

Max Fuchs erklärt in Bremen, wie die Welthandelsorganisation ganz bürokratisch den Untergang des Abendlandes einleiten könnte

Blackout. Was Max Fuchs da so sachlich schildert, in der Galerie Rabus, das dürfte mit Fug und Recht auch mit tremolierender Stimme vorgetragen werden. Denn es wäre schlicht das Ende; nein, nicht der Welt, nicht des Lebens. Aber all dessen, was in Europa Kulturlandschaft heißt.

Max Fuchs referierte im Rahmen des vierten Bremer Symposiums der Heinrich Böll Stiftung zum Thema „Kultur in Zeiten der Globalisierung“. Und sein Vortrag darf als das Herzstück der Veranstaltungsreihe gelten. Fuchs nämlich ist Professor der Philosophie in Essen, Leiter der Akademie in Remscheid und vor allem Vorsitzender des deutschen Kulturrates. In dieser Funktion war er geduldeter Gast beim Treffen der Welthandelsorganisation (WTO) in Cancún, Mexiko. Traurige Tropen: In der auf dem ehemaligen Siedlungsplatz der Mayas errichteten amerikanischen Touristenstadt – neben sportfishing gibt’s activities out of water: golf & tennis, shopping, restaurants & major numbers of nightclubs, discos & bars – hatte man sich Anfang September versammelt, um das Dienstleistungsabkommen GATS zu verabschieden. Wozu es allerdings nicht kam. Dessen Ziel: endlich richtig freie Märkte, das endgültige Aus des leidigen Dirigismus. In den Entwürfen für das Abkommen war deshalb ein radikales Verbot staatlicher Subventionen für Dienstleistungen vorgesehen. Gut daran: Die Bundesrepublik könnte dadurch massiv Schulden abbauen.

Eines der Folge-Probleme: Es ist möglich, kulturelle Produktionen – Konzerte etwa oder Filme, aber auch jeden schulischen Unterricht – als Dienstleistung aufzufassen. Das ist keine neue Position: Auch bei Aristoteles erfüllt die Tragödie eine ähnliche Funktion wie eine Sauna. Sie entschlackt und reinigt von unangenehmen Empfindungen. Und eine Badeanstalt ist nun wirklich ein klassischer Dienstleistungsbetrieb. GATS könnte also bedeuten: weg mit der Filmförderung, Schluss mit dem Staats- und Stadttheaterwesen. Und was heißt hier ‚nicht-privater Rundfunk‘?

Die öffentliche Hand dürfte im Ernstfall keine Gelder mehr in soziokulturelle Einrichtungen, Museen oder gar Konzerthäuser stecken, womöglich sogar in Schulen. Was dann übrig bliebe im guten alten Europa? Golf & tennis, shopping, restaurants & major numbers of nightclubs, discos & bars.

Well, probably it’s time to accept the economical order, mapped on the groundplan of life once sketched by Darwin: The only alternative seems to be – horribile dictum – a retreat into the Nationalstaatlichkeit of the 19[th]century with its fortresses and hostile frontiers against foreign influence. In fact, as Fuchs told the audience, the Unesco tries to legitimate subsidies for cultural institutions with its new Convention On The Preservation Of Intangible Heritage adopted last Friday by its General Conference at Headquarter in Paris. But, die Gefahr sei weder durch diese Konvention noch durch das vorläufige Scheitern des GATS-Abkommens gebannt, resumed Fuchs. Benno Schirrmeister

Bremer Symposium der Heinrich Böll Stiftung, bis 5. November. Nächste Veranstaltung: „Kennen Sie Kwaito?“ mit Jay Routledge, Musikjournalist und Napo Masheane, spoken word artist, 23. 10., Brauhauskeller 20.30 Uhr. Weitere Infos: www.boell-bremen.de