Ausbildung in der Warteschleife

Am 1. Oktober werden trotz Ausbildungskonsens noch zehntausende Jugendliche ohne Lehrstelle dastehen. Gleichzeitig steigt die Zahl derjenigen, die wartend auf der Berufsschule verharren

VON NATALIE WIESMANN

Zum letztmöglichen Ausbildungsbeginn am 1. Oktober werden zehntausende von Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz da stehen. Davon gehen unter anderem die Gewerkschaften aus. „Wir erwarten keine nennenswerte Entspannung“, sagt Norbert Wichmann, Bildungsexperte des DGB in NRW. Da hätten auch die werbewirksamen Ausbildungstouren von Arbeitsminister Harald Schartau und Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (beide SPD) im August und September nichts ändern können: „Diese Aktionen dienen vor allem dem gegenseitigen Marketing und sind schon fast peinlich“, findet Wichmann.

Die Zahlen werden bis 5. Oktober von der Bundesagentur für Arbeit unter Verschluss gehalten. Noch Anfang September hatte die Regionaldirektion NRW traurige Ziffern zu verkünden: Die Zahl der nach einer Ausbildung suchenden Jugendlichen in NRW lag mit etwa 33.000 im August um 19 Prozent höher als im gleichen Monat des Vorjahres.

Noch zehn Tage haben die Verantwortlichen Zeit, die neuen Zahlen zu interpretieren. Selbst wenn die Zahlen der Ausbildungssuchenden gesunken sein sollten, habe dies nichts zu heißen, sagt Wichmann vom DGB. Harte Fakten über die Ausbildungslage böten nur die Daten des Schulministeriums, die bald erschienen. Denn in den vergangenen Jahren sei an den Berufsschulen ein Anstieg an Jugendlichen zu verzeichnen, die keinen Ausbildungsplatz erhalten haben. 1998 waren es noch 17.000 Jugendliche, die ein berufsvorbereitendes Jahr absolvierten, 2003 bereits 21.000. Die Zahl der Schulabgänger, die eine rein schulische Ausbildung machen, ist im gleichen Zeitraum von 89.000 auf 121.000 gestiegen.

Wirklich erschreckend sei aber, so Wichmann, die stark steigende Zahl an Jugendlichen, die wegen der Schulpflicht ohne ein Ausbildungsverhältnis einmal die Woche unterrichtet werden: 1998 waren dies noch 23.000, im vergangenen Jahr bereits über 32.000. „Der Trend zur Warteschleife Schule geht weiter“, ist er sich sicher.

Doch trotz der Lehrstellenlücke will Arbeitsminister Harald Schartau SPD bis Jahresende jedem Willigen einen Ausbildungsplatz vermitteln. Auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) Nord Westfalen sah im August noch einen „positiven Trend auf dem Ausbildungsmarkt“, der „unvermindert anhält“. Zehn Prozent mehr Ausbildungsverträge als im Vorjahr seien dort verbucht worden. „Und die Zahl der abgeschlossenen Verträge steigt weiter an“, sagt Michael Vornweg, stellvertretender IHK-Geschäftsführer zur taz. Dass sich auf der anderen Seite die Zahl der Ausbildungsplatzsuchenden sich weiter anstaut, will er jedoch auch nicht bestreiten.