Es wird kalt in Kahlstadt

In Hamburg sind fünf bis sechs von 14 Karstadt-Kaufhäusern in ihrer Existenz bedroht. Mitarbeiter fürchten um Arbeitsplätze, ver.di spricht von „Kahlschlag ohne Konzept“ und kündigt Widerstand an. Heute Mitarbeiterversammlungen in allen Filialen

Von Kai von Appen
und Markus Jox

„Gerade ist er in Klausur gegangen und feilt an seiner Rede.“ Im Vorzimmer von Werner von Appen wiegelt eine Dame freundlich ab. Am heutigen Vormittag muss der Chef der Karstadt-Filiale in der Mönckebergstraße, der im Warenhausgeschäft bereits als Azubi gearbeitet hat, seinen etwa 1.000 Beschäftigten auf einer Mitarbeiterversammlung berichten, was es mit dem knallharten Sanierungsprogramm auf sich hat, das die Konzernspitze gestern in Essen als „historischen Solidarpakt“ verkaufte. Sein eigenes Haus steht offenbar nicht zur Disposition: Es gehöre zu den 89 Kernfilialen, die erhalten bleiben sollen, bestätigt von Appen der taz, als er doch noch zurückruft. Während man im Verkauf den jetzigen Personalbestand halten wolle, werde es „in der Verwaltung sicher noch zu Einschnitten kommen müssen“.

Unter den 77 Kaufhäusern, die Karstadt abstoßen und an einen neuen Investor verkaufen möchte, sind nach Informationen der Gewerkschaft ver.di allerdings „fünf bis sechs“ der 14 Hamburger Filialen (siehe Kasten). Zu den „unrentablen“ Kaufhäusern, die „in eine Tochtergesellschaft ausgegliedert“ werden sollen, gehören dem Vernehmen nach die Kaufhäuser in Barmbek, Bramfeld, Eppendorf, Langenhorn und Neugraben.

Hamburgs stellvertretender ver.di-Landesleiter Ulrich Meinecke bewertete die Sparmaßnahmen in einer ersten Reaktion als „Kahlschlag ohne Konzept“ und als „reines Kostensenkungskonzept ohne eine zukunftsgerichtete Gesamtstrategie“. Stattdessen würden „ausschließlich die Beschäftigten gebeutelt“. Meinecke erwartet einen „drastischen Personalabbau“, der auch alle bei Karstadt verbleibenden Warenhäuser und deren Beschäftigte unmittelbar betreffen werde.

Obendrein wolle der Konzern „in die Tarife eingreifen und sie absenken“. „Für den Fall, dass Karstadt sein Ding durchzieht, werden wir Widerstand organisieren“, droht der ver.di-Funktionär. „Die Filialen werden ja nicht geschlossen, sondern zum Verkauf angeboten“, merkt Meinecke an – „wir wissen nicht, ob sich ein Bewerber im Hintergrund befindet.“

Während Meinecke vor allem die „verfehlte Sortiment-Politik“ des Managements für die Krise verantwortlich macht, nennen viele Beschäftigte einen anderen Grund. „Das musste ja so kommen“, sagt etwa eine Verkäuferin eines der City-Kaufhäuser: „Letztendlich haben sich die von Karstadt geforderten längeren Öffnungszeiten nie ausgezahlt.“ Auch Arbeitsplätze habe das im Prinzip nicht geschaffen: „Wir sind zwar ein paar mehr Köpfe geworden, doch die meisten sind nur als Aushilfen und auf Teilzeitbasis eingestellt.“

In der Edelklasse hat sich ebenso wenig getan. „Sicher, die berufstätige Frau, die etwas für ihr Aussehen tun möchte, lässt sich in den Abendstunden besser beraten“, sagt eine Kosmetikberaterin – „aber wir sind ja gezwungen, den ganzen Tag über den Stand zu besetzen. Das verursacht Kosten, die wir am Abend meist nicht kompensieren können.“ Die Kundinnen wiederum hätten nicht plötzlich mehr Geld zur Verfügung. „Für uns ist der Tag nur länger geworden, ohne mehr Umsatz und Provision. Und stehen Sie mal fast elf Stunden auf hohen Hackenschuhen hinter dem Stand – das macht kein Vergnügen.“

Auch Meinecke hält diese Argumente für griffig: „Wir müssen sehen, inwieweit die Abwärtsentwicklung bei Karstadt etwas mit der Aufwärtsentwicklung beim Ladenschluss zu tun hat.“

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