Die Kopftuchdebatte in Berlin (Teil 1)
: Innensenator Ehrhart Körting sagt Nein zum Kopftuch im öffentlichen Dienst

Ende September entschied das Bundesverfassungsgericht, dass muslimischen Lehrerinnen das Unterrichten mit Kopftuch nur untersagt werden kann, wenn es ein entsprechendes Landesgesetz gibt. Acht Bundesländer wollen das Kopftuch nun verbieten. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) will per Gesetzesnovelle das Kopftuch gleich aus dem gesamten öffentlichen Dienst verbannen. Das ist nicht unumstritten. Die taz startet daher heute eine Debattenserie über Sinn und Zweck des Kopftuchverbots. Zum Auftakt erläutert Innensenator Körting sein Konzept:

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts brauchen wir eine gesetzliche Grundlage, um auch in Zukunft beizubehalten, was in Berlin bisher einvernehmlich praktiziert worden ist: kein Kopftuch und kein Ordensgewand in der Schule zu tragen. Bisher war es in Berlin ein ungeschriebenes Gesetz, dass indoktrinierende Religionssymbole im öffentlichen Dienst nichts verloren haben. Daran haben sich alle gehalten. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist deutlich geworden, dass man dieses ungeschriebene Gesetz in eine rechtliche Form gießen muss, um die bisherige Handhabung beibehalten zu können.

Um es klar zu sagen: Es geht mir nicht um die anatolische Mutter, die Verkäuferin im Gemüseladen oder jede Frau, die zu Hause oder auf der Straße ihren Glauben bekennen will. Viele Frauen in Berlin tragen ein Kopftuch aus Tradition oder religiöser Überzeugung. Es gibt aber leider auch einen stärker werdenden fundamentalistischen Zug, der das Kopftuch als Kampfmittel benutzt, um zum Gottesstaat zu kommen. Das Kopftuch ist das Symbol all derer, die befürchten, dass sich der Islam westlichem Gedankengut öffnen und modern werden könnte, insbesondere was die Gleichberechtigung der Frau betrifft. Für die Verfechter ist das Kopftuch nur eine Etappe. Ist es da ein weiter Schritt zur Duldung der Steinigung einer Frau in Nigeria, die nur ihr Leben selbstbewusst gestalten will?

Ich war kürzlich in einer Volkshochschule bei einem Deutschkurs für Ausländer. In dem Kurs war eine Frau mit Kopftuch, sieben Frauen trugen keines. Sollen sich diese sieben Frauen permanent durch bekopftuchte Lehrerinnen, Polizistinnen oder Sozialarbeiterinnen sagen lassen: Ihr benehmt euch nicht würdig, weil ihr kein Kopftuch tragt? Genau dies ist leider auch die Aussage von einem Teil der Leute, die die Klägerin vor dem Bundesverfassungsgericht unterstützt haben.

Auch eine Lehrerin, die das Kopftuch nur aus religiöser Überzeugung trägt, übt damit indirekten Druck aus, wenn sie in der Schule einer 17-jährigen Muslimin ohne Kopftuch gegenübertritt: Du hast die falsche Religionsauffassung, du verhältst dich falsch. Die gleiche Situation würde auch in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes entstehen. Meine Sorge gilt nicht meinen christlichen Kindern. Die werden sich durch eine Kopftuchträgerin nicht beeinflussen lassen. Das Problem ist vielmehr, dass staatlich Beauftragte mit Kopftuch eine fatales Signal für die in Berlin lebenden modernen Muslime wären, die das Koptuch ablehnen. Es geht darum, die Vielzahl Berliner Muslime vor Fundamentalisten zu schützen.

Ich wundere mich sehr über die Argumentation von Ausländerbeauftragten gegen ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst. Frau Beck, Frau John und andere stellen sich damit gegen die Mehrheit der Muslime und unterstützen damit ungewollt den fundamentalistischen Druck auf moderne Muslime. Auch Herr Piening, Berliner Integrationsbeauftragter, muss sich fragen lassen, ob durch das Kopftuch im Staatsdienst die Integration nicht gefährdet wird. Das Kopftuch im öffentlichen Dienst nicht zu verbieten, würde bedeuten, der Integration der türkischen Mädchen und Frauen in Kreuzberg in den Rücken zu fallen, die bewusst kein Kopftuch tragen wollen.

Der Autor ist SPD-Innensenator.Morgen: Riza Baran (Grüne), Integrationspolitiker und Vorsteher der BVVFriedrichshain-Kreuzberg