DAS CDU-KONZEPT ZUR SOZIAL- UND WIRTSCHAFTSPOLITIK IST ZU SIMPEL
: Modern wie ein Transrapid

Angela Merkel hat sich in den vergangenen Monaten den Ruf erarbeitet, eine radikale, kaltherzige Reformerin zu sein. Doch der Begriff Reform ist, laut Duden, eine planmäßige Neuordnung; nicht zufällig wird im Zusammenhang mit ihm auch das Attribut mutig verwendet. Maßnahmen, die nur Abbau und Rückbau bedeuten, sind demnach keine Reformen – und mutig ist Angela Merkel bestimmt nicht.

Was die CDU-Programmarbeitsgruppe der Partei im Dezember als Leitantrag vorlegen will, klingt wild, ist aber von gestern: Die Union will etwa den Kündigungsschutz abbauen, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Dieser Vorschlag ist zwar ein Klassiker – doch nachgewiesen wurde der Zusammenhang nie. Im Gegenteil: Unternehmen betonen immer wieder, dass ihre Bereitschaft, Jobs zu schaffen, nicht vom Kündigungsschutz abhängt. Zudem zeugt der Leitantrag von einer erschreckenden Blindheit gegenüber den sozialen Veränderungen in der Republik: Er spricht davon, „Lohnfindungsprozesse“ flexibler zu gestalten. Doch Tarifverträge enthalten schon heute zahlreiche Öffnungsklauseln und bestehen in manchen Regionen der Republik nur noch auf dem Papier. Die Realität hat die Union längst überholt.

Diese Liste ließe sich verlängern: Merkel hält an der Atomenergie fest, obwohl das nicht mal mehr die Kraftwerksbetreiber tun. Sie will das dreigliedrige Schulsystem erhalten, das sich nachweislich überlebt hat. Schließlich fordert sie eine Strecke für den Transrapid in Deutschland und setzt damit auf ein veraltetes Verkehrskonzept.

Es ist gut, wie sich die Union gerade öffentlich streitet, zu Personal- und Strategiedebatten sind Oppositionszeiten da. Doch das Publikum, von der Regierung nicht verwöhnt, wartet vergeblich auf interessante Vorschläge. Es bekommt stattdessen die derzeit populäre Mischung aus Abbau von Arbeitnehmerrechten und Sozialleistungen serviert, gewürzt mit überholter Technik. Was sie von solcher Kost halten, haben die Bürger in den vergangenen Wochen demonstriert und sind bei Wahlen schlicht zu Hause geblieben. Sie dürften nun kaum zu der Überzeugung gelangen, dass sie dabei etwas verpasst haben. HEIKE HOLDINGHAUSEN