Abgebrüht und cool

Der VfB Stuttgart kassiert zwar ein Tor, gewinnt aber auch bei Werder Bremen in bewährter Manier mit 3:1

BREMEN taz ■ Samstagabend, halb sieben, in Bremen: Eine Gruppe adrett gekleideter junger Männer geht zu einem Bus. Man schleppt schwere Taschen, kaum einer spricht. „Bisschen flott, Jungs, wir müssen“, befiehlt der Busfahrer rabiat. Die Männer folgen aufs Wort. Gleich daneben steigt ein soignierter, eleganter Herr im dunklen Mantel, einen leuchtend roten Schal um den Hals gewunden, in eine BMW-Limousine.

Was ein bisschen so aussieht wie eine Exkursion wohlerzogener College-Studenten mit ihrem Herrn Professor, waren in Wirklichkeit die Profi-Fußballer des VfB Stuttgart, und die Limousine der Escort-Service des ZDF-Sportstudios für Trainer Felix Magath. Das Spitzenspiel des neunten Bundesliga-Spieltags gegen den SV Werder Bremen hatten die Schwaben gerade abgebrüht und cool mit 3:1 im Weserstadion gewonnen. Obwohl die Bremer den besseren Start gehabt hatten und das Spiel im Mittelfeld dominierten, stand es nach 35 Minuten 2:0 für den VfB, der seine wenigen Chancen clever nutzte.

Vor allem das erste Tor ließ selbst hartgesottene Werder-Freaks mit der Zunge schnalzen: Jung-Nationalspieler Andreas Hinkel hatte die Bremer Abwehrrecken alert umtanzt, getunnelt und den Ball schließlich passgenau auf Imre Szabics geflankt, der nicht mehr viel falsch machen konnte. Da schadete es auch nichts mehr, dass Alexander Hleb kurz vor der Pause einen Elfmeter vergab und sich Marcelo Bordon kurz vor Schluss die gelb-rote Karte einhandelte.

Allein: Felix Magath hieße nicht Magath, wenn er nicht auch etwas zu mosern gefunden hätte: Seine Spieler müssten öfters mal meckern auf dem Spielfeld und laut werden. „Da muss auch mal jemand zum Schiedsrichter hingehen und sich beschweren.“ Magaths Spieler durften übrigens nach ihrem Erfolg nicht sofort unter die Dusche: erst war kollektives Auslaufen angesagt, Disziplin muss sein. Und über die Meisterschaft lohne sich erst zu reden, „wenn wir in den nächsten zehn Spielen 30 Punkte holen“, so der Trainer.

Den Sieg hatten die Stuttgarter, die in der zweiten Halbzeit ohne Kapitän Zvonimir Soldo auskommen mussten (Magath: „Seine Wade ist hart, der humpelt jetzt in der Kabine rum“), auch ihrem tollen Torwart zu verdanken: Timo Hildebrand bewahrte seinen VfB mehrfach in höchster Not vor dem Ausgleich, zeigte eine Glanzparade nach der anderen. Dass der blonde Schlussmann nach der Partie ein bisschen vergrätzt dreinblickte, lag natürlich daran, dass seine „Serie“ zu Ende ging. Nach 885 Minuten ohne Gegentor war es Werders Stürmer Charisteas, der, kaum eingewechselt, den Ball ins magische Hildebrandsche Gehäuse schob. Besonders ärgerlich für den Stuttgarter: Der Schiedsrichter hätte den Treffer gar nicht geben dürfen, da der Ball – bevor ihn Fabian Ernst zum Griechen flankte – hinter der Torauslinie gewesen war.

Die Bremer ihrerseits waren bemüht, das mediale Theater um die Transfers der Spieler Ailton und Mladen Krstajic zu Schalke 04 herunterzuspielen: „Für mich ist das Thema beendet“, flötete Sportdirektor Klaus Allofs. Die beiden Spieler hätte sich nun eben so entschieden, „und das ist auch in Ordnung so“. Wer solch gute Angebote erhalte, „der wird es nicht ablehnen, weil das Weserstadion so schön ist oder weil Thomas Schaaf hier Trainer ist“, sagte Allofs. Ailton wurde von den Fans am Samstag mit norddeutschem Stoizismus behandelt: ein paar Pfiffe, einige Anfeuerungsrufe, ein Transparent „Schalke hat das Geld, wir den Erfolg“, das war’s.

Trost gab’s auch von Ex-Werder-Trainer Magath: Sowohl Bremen als auch der VfB Stuttgart liefen „immer Gefahr, dass ein anderer Verein mit Geld um sich schmeißt und dann auch mal einen Spieler trifft“. Gerade in den letzten Jahren, als Werder den Verlust vieler wichtiger Stammspieler verschmerzen musste, habe er immer wieder gedacht, nun erwische es die Bremer aber mal. „Und was ist jetzt? Werder steht immer noch oben.“

Magaths Kollegen Schaaf oblag es schließlich, die dümmste Journalistenfrage des Tages gekonnt zu returnieren: „Können Sie mit dieser Niederlage leben, Herr Schaaf?“ Die Antwort: „Man kann mit jeder Niederlage leben.“ MARKUS JOX