Besiegt von Machos

Eine Dreiminutenstrafe wegen Windschattenfahrens kostet Nina Kraft den möglichen Sieg auf Hawaii

BERLIN taz ■ Der pechschwarze Alii Drive, jene langezogene Zielgerade entlang der kleinen Hafenbucht zu Kailua Kona, war schon nahe, als die Entscheidung gänzlich zum Krimi wurde. Platz eins und damit der Sieg beim Ironman Hawaii war zwar bereits vergeben, an die Kanadierin Lori Bowden nämlich, daran gab es nichts mehr zu rütteln. Der Rest aber war offen – und Nina Kraft aus Braunschweig hatte den ganzen Tag über schon alles Erdenkliche dafür getan, ihn möglichst günstig für sich zu gestalten: Lange hatte sie das Feld der eisernen Frauen angeführt, erst bei Marathon-Kilometer 20 musste sie Lori Bowden, die bekannt stärkste Läuferin in der Welt des Triathlons, endgültig dem Sieg entgegenziehen lassen. Dann aber, als dies geschehen war, erwuchs das zweite große Duell des Tages, jenes mit Natascha Badmann, der vierfachen Hawaii-Siegerin aus der Schweiz. Zweimal griff die Schweizerin an, zweimal konnte die Deutsche kontern; der dritten Attacke aber hatte sie nichts mehr entgegenzusetzen. Dazu fehlte Kraft nun, kurz vor dem Ende auf dem Alii Drive, schlichtweg die Kraft. Im Ziel hatte Badmann es auf 8 Sekunden Vorsprung gebracht – nach 3,8 km Schwimmen, 180 km Rad Fahren und einem Marathonlauf war das ein lächerlicher Unterschied, der über Platz zwei und drei entscheiden sollte.

Und es war einer, der maßgeblich bestimmt war von den Kampfrichtern, daran ließ auch Nina Kraft hernach keinen Zweifel. „Es hätte heute reichen können“, sprach sie im Ziel und meinte damit den ersten Sieg einer Deutschen beim Ausdauerspektakel auf Big Island. Dann aber hatte ihr einer der Racemarshalls einen diagonalen Strich auf die Startnummer gemalt, was das Zeichen für eine Dreiminutenstrafe in der Wechselzone ist. Kraft, die zu jenem Zeitpunkt Führende des Frauen-Wettbewerbs, soll im Windschatten einer vor ihr liegenden Männergruppe gefahren sein; Windschattenfahren aber ist beim Ironman verboten – und wird mit drei Minuten Stillsitzen in der Wechselzone geahndet. „Meine Zeitstrafe auf freier Strecke hat mich aus dem Konzept gebracht. Das war nicht gerechtfertigt“, klagte Kraft später im Ziel, sogar ans Aufhören hatte sie kurzfristig gedacht.

Was verständlich ist, denn unterm Strich hatte sie den Sieg nicht wegen der Stärke von Badmann oder Bowden aus der Hand gegeben, sondern ganz offensichtlich wegen einiger jener Machos im Feld, die es nicht abhaben können, von einer Frau überholt zu werden – und deswegen genau in dem Moment das Tempo anziehen. Laut Drafting-Regel aber muss ein Überholvorgang nach 15 Sekunden abgeschlossen sein, was die Angelegenheit für die überholende Frauen bisweilen schwer macht – und riskant. Gut möglich, dass Nina Kraft das in diesem Jahr den Sieg gekostet hat, die Freude über einen großartigen dritten Platz hat es auf jeden Fall eingetrübt.

In der Familie Bowden dürfte die Stimmung hingegen umso ausgelassener gewesen sein. Knapp 50 Minuten zuvor hatte schon Peter Reid, Lorens Ehemann, das weiße Zielband als Erster durchtrennt und damit seinen dritten Sieg auf Hawaii perfekt gemacht, was den beiden Kanadiern nebenbei den inoffiziellen Titel des ausdauerndsten Pärchens der Welt bescherte. Die drei großen deutschen Ironman-Helden hatten mit dem Ausgang des Rennens diesmal nichts zu tun: Jürgen Zäck wurde Sechster, Thomas Hellriegel Elfter, Lothar Leder gar nur Fünfzehnter. Als bester Deutscher kam Norman Stadler auf Platz vier ins Ziel. FRANK KETTERER