Kein Ausweg aus der Dauerkrise

Hamburgs SPD nominiert den Kandidaten für die Wahl 2005. Sind die Weichen für die Rückkehr an die Macht gestellt?

Die Partei hat keine andere Chance, als zu tun, was sie in dieser Woche tun wird. Den Mann küren, der Hamburgs CDU-Bürgermeister Ole von Beust herausfordern und den Sozialdemokraten die Macht an der Elbe zurückerobern soll. Würde sie es nicht tun, wäre das genauso richtig. Und genauso falsch. Hamburgs SPD hat ein Problem, aber sie hat keine Lösung.

Die Krise des Rechts-Senats in der Hansestadt setzt eine Partei unter Zugzwang, die nichts lieber täte als das, was sie 44 Jahre lang tat: regieren. In ihren zwei Oppositionsjahren hat die SPD diese Rolle nicht akzeptieren gelernt. Sie agiert, als wäre sie nie abgewählt worden. Mit alten Rezepten – und auch mit alten Köchen.

Wenn Favorit Thomas Mirow heute vom Landesvorstand und am Freitag vom Parteitag zum Möchtegernbürgermeister gekürt wird, ist für die Sozialdemokraten noch nichts gewonnen. Der Exwirtschaftssenator taugt kaum als Personifizierung jenes Neuanfangs, den die SPD nach der Wahlniederlage vor zwei Jahren versprochen hatte. Wer zehn Jahre neben den Bürgermeistern Ortwin Runde und Henning Voscherau auf der Regierungsbank saß, muss einiges erklären: was damals falsch gelaufen ist, was er daraus gelernt hat, was er besser machen will.

Jahrzehntelang haben Bürgermeister, Parteichef und Fraktionsvorsitzender in einer sorgsam austarierten Machtbalance den Kurs der Sozialdemokraten der Hansestadt bestimmt. Doch für die Opposition taugt dieses „eiserne Dreieck“ der Dunkelmänner nicht. Olaf Scholz, der dominante Landesvorsitzende, musste seine Bürgermeisterambitionen aufgeben. Er hat in Berlin als Kanzlers General alle Hände voll zu tun. Der scharfzüngige Fraktionschef Walter Zuckerer ist ein Oppositionsführer vom Schlage Herbert Wehners, aber er taugt nicht zum Regierungschef. Beide müssen sich nun zurücknehmen, damit Mirow glänzen kann.

Auf eines kann sich der SPD-Kandidat im Wartestand bestimmt nicht verlassen – darauf, dass Amtsinhaber Ole von Beust dem Verfall der regierenden Koalition tatenlos zusieht. Mit dem Rauswurf Ronald Schills hat er zwar den Bruch des Bündnisses riskiert, aber am Ende das Spiel gewonnen. Auf die SPD-Forderung nach Neuwahlen konnte er ganz gelassen entgegnen, die hätten ja nicht mal einen Gegner für ihn.

Unter diesem Druck musste die SPD ihren Zeitplan umwerfen. Nicht erst im Mai 2005 wird sie sich auf einen Kandidaten festlegen, sondern schon in dieser Woche. Und der muss sich bis zum turnusmäßigen Urnengang in knapp zwei Jahren im Dreikampf üben: Der Unternehmensberater ohne Bürgerschaftsmandat muss sich mit seinen Konkurrenten in der SPD zusammenraufen, den Titelverteidiger Beust ohne parlamentarische Bühne in die Defensive zwingen – und den längsten Wahlkampf aller Zeiten am Ende auch noch gewinnen. Kaum vorstellbar, dass das gut geht.SVEN-MICHAEL VEIT