Warlords bedrohen Afghanistans Wahlen

US-Menschenrechtsorganisation: Die Warlords sind eine größere Gefahr für die politische Entwicklung als die Taliban

BERLIN taz ■ Die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warnt in einem gestern vorgelegten Bericht davor, dass bewaffnete Milizenführer bei Afghanistans Präsidentschaftswahlen am 9. Oktober WählerInnen, KandidatInnen und politische Organisationen bedrohen werden. So werde die Glaubwürdigkeit der Wahlen untergraben.

Unter dem Titel „Die Herrschaft der Waffen“ heißt es in dem Bericht, die Warlords seien eine größere Bedrohung für die Wahl als die Taliban. Es wird darin vermutet, dass Milizionäre und nicht Taliban für den Mord an fünf Mitarbeitern der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ im vergangenen Juni verantwortlich sind. Die Warlords sicherten ihre Macht mit Gewalt, Drohungen und Einschüchterungen. „Viele politisch aktive Afghanen, einschließlich der Präsidentschaftskandidaten, sagen, sie fühlten sich ungeschützt und seien verängstigt“, heißt es in dem 51-seitigen Bericht. Er basiert auf 150 Interviews mit Wahlkandidaten, Beamten, Politikern, Frauenrechtlern, Journalisten, Aktivisten und Mitarbeitern von Hilfsorganisationen.

Der Bericht kritisiert, dass Warlords Parteien gründen konnten, obwohl laut Wahlgesetz keine Parteien hätten zugelassen werden dürfen, die über bewaffnete Kräfte verfügen. Kritisiert werden auch die engen Beziehungen, die die US-Truppen zu einigen Warlords haben. So sagt ein anonymer Interviewpartner aus dem östlichen Dschalalabad über den lokalen Warlord Hasrat Ali: „Eine Hauptquelle der Macht und Autorität für Hasrat Ali und seine Bande ist seine enge Verbindung mit dem US-Militär und dem Geheimdienst. Er hat diese Beziehung erfolgreich genutzt, um seine politischen Gegner zu schädigen und einzuschüchtern. Er hat Menschen verhaften lassen und bedroht sie ständig damit, dass sie nach Guantánamo geschickt würden.“ Hasrat Alis Leute würden Menschen drohen, sie bei den Amerikanern als Mitglieder von al-Qaida anzuschwärzen.

Der Bericht kritisiert zudem Fehler bei der Wählerregistrierung, die zu zahlreichen Mehrfachregistrierungen geführt habe, sowie eine unzureichend geplante Wahlbeobachtung.

Die so genannten bewaffneten Wiederaufbauteams (PRT), die in Afghanistan agieren – die US-Soldaten unter dem Mandat von „Enduring Freedom“, die Bundeswehr unter dem Mandat der internationalen Schutztruppe –, fordert Human Rights Watch auf, sich auch beim Prozess der Entwaffnung zu engagieren. SVEN HANSEN