Gen-Getreide spaltet Bundeskabinett

Agrarministerin Renate Künast legt Entwurf für Gentechnikgesetz vor – und zieht den Zorn ihrer Kabinettskollegen auf sich. Künast will Biobauern und Konsumenten schützen, Wolfgang Clement die Saatindustrie. Fast jeder Punkt umstritten

von WOLFGANG LÖHR

„Noch im November wird das Bundeskabinett ein neues Gentechnikgesetz verabschieden.“ Wolfgang Koehler, Leiter des Referats Bio- und Gentechnik im Verbraucherministerium, ist zuversichtlich, dass der Zeitplan für die seit langem überfällige Gesetzesnovelle eingehalten wird. Doch Zweifel sind angebracht. Seit Monaten streiten sich die zuständigen SPD- und Grünen-geführten Ministerien über den Entwurf.

Die Vorstellungen der federführenden Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne), wie künftig eine friedliche Koexistenz von Gentech-Bauern und konventionell wirtschaftenden Landwirten sichergestellt werden solle, trifft auf Widerstand bei Wolfgang Clements Wirtschaftsministerium sowie im Haus von Forschungsministerin Edelgart Bulmahn (beide SPD). Eigentlich sei „bis auf die Paragrafen und Überschriften alles noch strittig“, gestand Köhler auf einem Fachgespräch der Grünen Bundestagsfraktion letzten Freitag in Berlin.

Das Gesetz soll den Anbau genveränderter Pflanzen und daraus folgende Haftungsfragen regeln. Das Gezerre beginnt schon beim ersten Paragrafen: Künast strich den Absatz, der die Förderung und Nutzung der Gentechnik festschreibt, ersatzlos. Genauso gestritten wird um Schadenersatz, ein öffentliches Anbauregister und Schutzmaßnahmen, die Gentech-Bauern ergreifen müssen, damit Genpollen sich nicht auf den Nachbarfeldern breit machen.

Landwirte sollen ein Anrecht auf Schadenersatz haben, wenn ihre Ernten durch Gentech-Pollen verunreinigt werden und sie deshalb nicht mehr als „gentechnikfrei“ zu höheren Preisen absetzen können. Künasts Vorstellung: Der benachbarte Gentech-Landwirt haftet, sobald er nicht nachweisen kann, sich an die so genannte gute fachliche Praxis gehalten zuhaben.

Für das Gentech-begeisterte Forschungsministerium ist das alles undenkbar: „Sonderregelungen im Haftungsrecht lehnen wir ab“, so der parlamentarische Staatssekretär Wolf-Michael Catenhusen jüngst in der Zeit. So will er auch den Förderzweck beibehalten.

Damit ist er in einer Linie mit den Verbänden der Gentech-Befürworter. „Bauen Sie doch nicht so einen Popanz auf“, wettert Jens Katzek von BIO Mitteldeutschland, einer Gentech-Initiative in Sachsen-Anhalt, in Richtung Künast. „Sie sprechen immer über Koexistenz, aber das, was sie festlegen wollen, wird keine Koexistenz bringen.“ Es werde keinen Gen-Anbau geben können. Es handele sich um „ein Gentechnologieverhinderungsgesetz“.

Daran glauben Vertreter von Umwelt und Verbraucherorganisationen noch lange nicht. Sie sehen hingegen eine Klagewelle auf die Landwirte zukommen und auch mit der guten fachlichen Praxis sei die Gentechverunreinigung nicht aufzuhalten. Solange die Koexistenz und damit auch die Wahlfreiheit der Verbraucher nicht sichergestellt sei, dürfte der Anbau von Gentech-Pflanzen nicht erlaubt werden.