Staatliche Aufseher im AKW-Kontrollraum

Nach Pfusch im AKW Barsebäck schickt die Atomaufsicht eigene Aufseher ins Kontrollzentrum des Meilers – sie hat Zweifel am sicheren Betrieb. Der Reaktor gehört einer Tochter von Vattenfall und dem deutschen Stromkonzern E.on

STOCKHOLM taz ■ Die Betreiber des Atommeilers im schwedischen Barsebäck 2 haben offenbar jeden Vertrauenskredit verspielt. Der Betreibergesellschaft Barsebäck Kraft AB, eine Tochter von E.on und Vattenfall, werden ab sofort staatliche Aufpasser in den Kontrollraum gesetzt. Diese „spezielle Aufsicht“ kündigte vergangenen Freitag die schwedische Statens Kärnkraftinspektion (SKI) an.

Dem drastischen Schritt war im August ein ernster Zwischenfall in Barsebäck 2 vorausgegangen, der die SKI bereits dazu veranlasste, Strafanzeige gegen die E.on-Tochter wegen Verstoßes gegen das Atomgesetz zu stellen – ein bisher in Schweden einmaliger Fall. Monatelang war der Meiler mit mangelhafter Wasserzufuhr betrieben worden – dennoch hielt es die Betriebsleitung nicht für nötig, den Gründen für die Fehlfunktion nachzugehen und diese zu beheben. Den SKI-Gutachtern zufolge hätte der Reaktor „unmittelbar gestoppt werden müssen“. Barsebäck hat zwar seine Sicherheitsmaßnahmen überarbeitet, die neuen Betriebsabläufe sollen solche Fehler künftig ausschließen. Doch SKI-Vizechef Christer Viktorsson will kein Risiko eingehen: „Wir müssen überwachen, wie das in der Praxis funktioniert.“ Im Moment liegt allerdings der Reaktor ohnehin noch still: Denn aus einem zweieinhalb Millionen Liter fassenden Wassertank sickert Wasser aus. Die Ursache ist unbekannt. Das seit 1977 betriebene AKW steht nach dem schwedischen Ausstiegsplan als Nächstes auf der Abschaltliste. In den schwedischen Zeitungen wird bereits darüber spekuliert, ob Vattenfall und der deutsche Energiekonzern E.on es wegen der Abschaltung mit dem Unterhalt und der Ausbildung der Werkscrew nicht mehr so genau nehmen.

Solche Spekulation werden auch genährt vom Black-out vor knapp einem Monat: Am 23. Dezember war in Südschweden und Teilen Dänemarks der Strom ausgefallen, weil eines der älteren AKWs in Oskarshamn Probleme hatte – und eine Schnellabschaltung nötig wurde.

Auslöser war ein Bedienfehler: Nach Einschätzung der Atomaufsicht leiteten die Ingenieure beim Anfahren versehentlich kaltes Wasser aus dem Hauptkühlsystem in den heißen Reaktordruckbehälter. Dadurch entstand ein so starkes Temperaturgefälle zwischen dem heißen Reaktorkern und dem einströmenden Wasser, dass eine Beschädigung des Kerns nicht mehr auszuschließen war.

Im schlimmsten Fall hätte es bei dem Störfall zu einem Leckspringen des Reaktortanks und zum Strahlenaustritt kommen können. Ein Vorfall, der selbst nach Einschätzung des AKW-Betriebschefs Carl-Johan Kemgren die „Sicherheit ernsthaft gefährdete“. Die SKI ließ deshalb den Reaktor vorerst stilllegen.

Ebenso wie in Barsebäck will die SKI das Wiederanfahren von Oskarshamn erst nach gründlicher technischer Analyse und einer Überprüfung der Betriebsabläufe erlauben. Die Pannenserie und das massive Durchgreifen der Aufsichtsbehörde haben in den letzten Wochen dazu geführt, dass zeitweise sechs der elf schwedischen Atomreaktoren außer Betrieb waren. Zurzeit stehen noch drei still.

REINHARD WOLFF