Der Lufthansa-Chef im China-Dusel

Mayrhuber in Peking: China „fulminant“, Deutschland „langweilig“. Seinen Angestellten droht er mit Job-Auslagerung

PEKING taz ■ Deutsche Manager fahren gern nach China, um dem Alltagsgeschäft zu entschlüpfen und sich unternehmerischen Mut zuzusprechen. Doch dass sie in China die Aufgaben in der Heimat als „langweilig“ abtun, den deutschen Angestellten aus der Ferne mit Jobverlagerung drohen, nur um im gleichen Atemzug die Volksrepublik als heilsamen „Quell neuer Geschäfte“ zu preisen, ist ein neuer Stil. Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber findet ihn offenbar zeitgemäß. Für ihn ist in Deutschland alles schwierig, und in China alles einfach. In Deutschland sei alles darauf abgestellt, dass „man den Lebensstandard verteidigt“, während man in China „überall die Lust auf Leistung spürt“. So redete Deutschlands führender Luftfahrtmanager während der letzten Tage in Peking munter drauflos. „Hier unternimmt man noch mehr“, lobte Mayrhuber ein China, in dem freie Gewerkschaften verboten sind, gegenüber einem Deutschland, das nicht „den Mut habe, Veränderungen auch durchzusetzen“. Das fange im Unternehmen an und „ende in Berlin“, bezog er die Bundesregierung in seine Kritik mit ein.

Anlass von Mayrhubers China-Reise war das 15-jährige Bestehen des Lufthansa-Gemeinschaftsunternehmen Ameco in Peking, in dem Lufthansa mit Air China bei der Wartung und Überholung von Flugzeugen kooperiert. Zuvor hatten Lufthansa und Air China die Verlängerung ihrer Zusammenarbeit um weitere 25 Jahre vereinbart.

Zu besichtigen war das Top-Management von Lufthansa, jung und alt, samt den Mayrhuber-Vorgängern Weber und Gronau, im China-Dusel. Am Sonntag hatte sich die Delegation beim Formel-1-Rennen in Schanghai aufgetankt. Am Montag dinierte man im feinen Pekinger China-Club. Am Dienstag dann die große Jubiläumsfeier auf dem Pekinger Betriebsgelände. Am Ende glaubte der Lufthansa-Chef, „mit China sehr vertraut“ zu sein.

Diese Vertrautheit hat wenig mit Landeskenntnis zu tun und beruht fast nur auf Wachstumszahlen. Hier werden Managerträume wahr: 20 Prozent Wachstum im Lufthansa-Gesamtgeschäft mit China; 40 Prozent Wachstum an den „Brennpunkten“ Schanghai und Peking, 50 Prozent Wachstum allein bei den chinesischen Fluggästen der Lufthansa. Also will das Unternehmen die Zahl der Flugverbindungen in drei Jahren um 100 Prozent von heute 34 auf über 60 pro Woche steigern. Nach China würden dann halb so viel Flüge wie in die USA gehen. So sprach Mayrhuber in Peking von einer „Erfolgsstory mit fulminantem Wachstum“. In Deutschland dagegen drücke vor allem „das Thema Personalkosten“. Dabei drohte Mayrhuber seinen Angestellten, mehr Aufträge an Partnerfluglinien wie Germanwings zu vergeben, falls die deutschen Gewerkschaften seinem Rezept „mehr Arbeit für gleiches Geld“ nicht folgten. Zugleich verwies er auf den hohen Ölpreis, der seinen Verhandlungsspielraum zunehmend reduziere.

Vielleicht aber wird es künftig normal sein, dass deutsche Vorstandsvorsitzende von China aus mit Jobverlagerungen drohen. Volkswagen kündigte kürzlich an, immer mehr Auftrage „mit Chinesen abzudecken“. Siemens plant langfristig das gesamte Mobiltelefongeschäft nach China zu verlegen. Je besser sie drohen können, desto mehr haben Manager wie Mayrhuber in China zu feiern. „Wir sind schon Patrioten“, schloss der Lufthansa-Chef seine Rede in Peking. Doch die Zweifel daran hatte er vorher selbst gesät. GEORG BLUME