Sozialabbau zur Ablenkung

Eine Einigung im Streit über die Gesundheit erwartet man in der Union nicht vor November. In der Zwischenzeit wärmt die CDU-Führung Pläne zum drastischen Abbau des Kündigungsschutzes auf

VON LUKAS WALLRAFF

Die Methode ist bekannt: Eine Partei, die sich zu Thema A nicht einig ist, setzt stattdessen Thema B auf die Tagesordnung. Diesem Schema folgte auch die CDU, die ausgerechnet gestern ein Konzept zur radikalen Reform des Arbeits- und Sozialrechts an die Öffentlichkeit lancierte. Denn im Unterschied zur Gesundheitspolitik gibt es hier bereits einen Konsens mit der CSU.

Auch die Bayern, die sich im Streit um die Merkel’schen Kopfpauschalen als soziales Korrektiv innerhalb der Union gerieren, haben nichts dagegen einzuwenden, die Arbeitnehmerrechte weiter deutlich einzuschränken. Und so war gestern auch kein Widerspruch zu hören, als CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer in seinem Entwurf eines Leitantrags für den CDU-Parteitag im Dezember wieder mal schweres Geschütz auffuhr. Wenn es nach der Union geht, sollen der Kündigungsschutz drastisch gelockert, die Arbeitszeit verlängert und die betrieblichen Mitbestimmungsrechte eingeschränkt werden. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU im Bundestag, Volker Kauder, verteidigte die Pläne: „Lieber eine Arbeitschance ohne Kündigungsschutz als arbeitslos mit Kündigungsschutz.“ So radikal das klingt: Wirklich neu ist daran wenig. Meyer hatte bereits im Sommer ein ähnliches Konzept präsentiert, wonach der Kündigungsschutz künftig erst nach drei Jahren Betriebszugehörigkeit gelten sollte. Neu ist nur, dass nicht mal die Arbeitnehmervertreter der CDU schnell dagegen protestierten. Der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse (CDA), Hermann-Josef Arentz, war bis gestern Nachmittag nicht zu erreichen. Aus seinem Büro hieß es, man wolle den Leitantrag „erst einmal prüfen“. Auch Arentz’ Stellvertreter Gerald Weiß, der den Kündigungsschutzabbau im Juli „für uns völlig inakzeptabel“ genannt hatte, ging auf Tauchstation. Große Chancen, etwas an dem Leitantrag zu ändern, scheinen sie kaum zu haben. Aus der CDU-Zentrale hieß es, die Pläne würden intern noch diskutiert, „der Mainstream in der Partei“ bewege sich aber in Meyers Richtung.

Wohin sich die Union in der Gesundheitspolitik bewegt, bleibt indes unklar. Kopfpauschalen-Freundin Angela Merkel und Kopfpauschalen-Gegner Edmund Stoiber wollen sich morgen treffen. CDU-Gesundheitsexperte Andreas Storm hofft, dass sie sich „bis zum November“ einigen werden.

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