Sicher ist nur die Kürzung

Bei den Verhandlungen haben die linken SPD-Politiker verloren und die wirtschaftsnahen Grünen gewonnen

aus Berlin HEIDE OESTREICH

Sie kamen und kamen nicht mehr heraus, die rot-grünen Rentenverhandler. Das war kein Wunder, denn versucht wurde die Quadratur des Kreises in dreieinhalb Stunden. Ein Beitragsloch von 8 Milliarden Euro in der Rentenkasse plus 2 Milliarden, die Sozialministerin Ulla Schmidt dem Finanzministerium schuldet, 10 Milliarden insgesamt wurden gesucht.

Beiträge erhöhen oder Renten kürzen, lautete die Alternative des Wochenendes. Hoffentlich keines von beidem, so die tapfere, aber unrealistische Ansage von Ulla Schmidt vor der Klausur. Wer dann nach fünf Stunden vergeblicher Quadraturversuche schließlich vor der Presse auftauchte, das waren nicht Ulla Schmidt und nicht Finanzminister Hans Eichel, sondern Bundeskanzler Gerhard Schröder und Vizekanzler Joschka Fischer. Ein Aufgebot für eine Beerdigung.

Beerdigt wurde nicht der Beitragssatz von 19,5 Prozent, sondern die Rentenhöhe. Die Dichte staatsmännischer Ausdrücke („angemessene Antwort auf die Globalisierung“, „an Deutschland denken, nicht mur an die eigene Partei“) war hoch, die Stimme auf Grabredenton eingestellt. Der Inhalt: Nächstes Jahr gibt es eine Nullrunde für RentnerInnen. Ab 2005 soll dann der „Nachhaltigkeitsfaktor“ greifen, der in seiner jetzigen Planung sogar Minusrunden bedeuten könnte.

In einer weiteren kreativen Neufüllung der Blümschen Formel „Die Rente ist sicher“ haben das Kabinett und die Fraktionsspitzen gestern befunden, dass die Renten nur sicher seien, wenn man sie kürze, erklärte der Kanzler. Ja, Gerhard Schröder kennt die Kleinrentner, „auch persönlich“, spielte er auf seine proletarische Herkunft an. Aber schließlich habe man ja auch den Arbeitnehmern bei der Reform des Arbeitslosengelds etwas weggenommen, nun seien eben die Rentner dran. Warum er die Beitragszahler schone? „Es hat niemand was davon, wenn die jüngeren Leute aus dem System flüchten“, so Schröders knappe Analyse.

Von den gestern beschlossenen Einsparungen besonders betroffen sind die künftigen NeurentnerInnen: Sie werden ihre Rentenzahlung erst am Ende des Monats und nicht wie bisher am Monatsanfang erhalten. Ihr Beitrag zur Pflegeversicherung wird in Zukunft nicht mehr zur Hälfte von der Versicherung gezahlt, sie müssen ihn allein aus der Rente bestreiten.

Der Rest des Lochs soll aus dem System heraus gestopft werden: So senkt die Regierung die eiserne Reserve der Rentenkasse, die so genannte Schwankungsreserve, ab. Bisher betrug sie die Hälfte einer Monatsauszahlung, in Zukunft sollen 20 Prozent ausreichen.

Von den 2 Milliarden, die Ulla Schmidt eigentlich einsparen müsste, weil der Finanzminister den Bundeszuschuss zur Rentenkasse um diese Betrag kürzen wollte, braucht sie nur eine aufzubringen: Die zweite Milliarde wird als „globale Minderausgabe“ im Haushalt versteckt, ab 2006 soll aber auch diese eingespart werden.

Die Regierung hat sich außerdem darauf verständigt, die Riesterrente zu vereinfachen. Wer das Riestermodell anbietet, muss weniger Kriterien erfüllen, als bisher gefordert. Auch soll es einfacher werden, die Riesterrente zu beantragen. Die Betriebsrenten sollen ebenfalls verbraucherfreundlicher gestaltet werden. Es werde angestrebt, dass ArbeitnehmerInnen künftig ihr Betriebsrenten-Kapital von einer zur anderen Firma mitnehmen können.

Am Renteneintrittsalter, dem Aufregerthema der vergangenen Wochen, wird die Regierung zunächst nichts ändern. Die von der Rürup-Kommission vorgeschlagene Anhebung des Alters auf 67 Jahre werde überhaupt erst im Jahr 2035 aktuell, so Schröder. Frühestens 2010 könne man sich die Entwicklunge der Rentenbiografien ansehen und über geeignete Maßnahme nachdenken.

Durchgesetzt haben sich mit dem gestern vorgestellten Paket die wirtschaftsnäheren Kräfte der SPD und die Grünen. Sie wollten um jeden Preis die Beiträge und damit auch die Lohnnebenkosten stabil halten. Die parlamentarische Linke der SPD dagegen hatte ebenso wie die Gewerkschaften für eine „vorübergehende“ Erhöhung der Beiträge plädiert.

Die Opposition kann über die meisten dieser Maßnahmen nur Hohn und Spott ausgießen. Der Bundesrat muss lediglich der Verschiebung des Zahltermins für die Neurentner zustimmen, der Rest ist zustimmungsfrei.