Am Ende hilft nur sparen

Die steigenden Ölpreise belasten sowohl Verbraucher als auch die Wirtschaft. Grünen-Wirtschaftsexperte Fritz Kuhn ruft Firmen zum Energiesparen auf

VON STEPHAN KOSCH

Nun ist es geschehen – der Rohölpreis hat die 50-Dollar-Marke passiert. Genau 50,47 US-Dollar haben Händler gestern für ein Fass der Sorte Light Sweet Crude in Asien bezahlt. Damit fällt eine psychologisch wichtige Barriere. Und die nächste wird schon ins Visier genommen. Auch ein Barrelpreis von 60 US-Dollar sei bald möglich, sagen Analysten. Insgesamt liegt der Ölpreis nun um rund 75 Prozent über dem Vorjahresniveau.

Doch die erwartete Panik an Aktienmärkten blieb zunächst aus. Die Börsen gaben nur leicht nach. Das Thema habe sich wohl etwas abgenutzt, an steigende Ölpreise habe man sich gewöhnt, hieß es zur Begründung. Alles also halb so schlimm?

Spätestens im Winter werden fast alle die Folgen dieser Entwicklung spüren. 100 Liter Heizöl kosten mittlerweile 47 Euro – 30 Prozent mehr als zu Jahresanfang. Das betrifft etwa jeden dritten Haushalt in Deutschland. Knapp die Hälfte der Haushalte heizt mit Erdgas. Auch diese müssen tiefer in die Tasche greifen, weil der Preis für Erdgas aufgrund von Lieferverträgen an den von Heizöl gekoppelt ist.

Dass der Benzinpreis steigt, mag Rad- und Bahnfahrern zunächst egal sein – auch wenn es tatsächlich Menschen gibt, die auf ihr Auto angewiesen sind. Doch auch der Sprit für Busse und der Strom für die S-Bahnen wird teurer. Die Deutsche Bahn jedenfalls begründet ihre Tariferhöhung mit steigenden Energiekosten, und auch die Stromkonzerne bedienen sich dieses Arguments und wollen ebenfalls an der Preisschraube drehen. Ob die genannten Begründungen wirklich ausschlaggebend für die Verteuerungen sind, ist dabei egal. Der steigende Ölpreis liefert zumindest Argumente.

Die Liste lässt sich beliebig verlängern. Reisen wird teurer, was die Touristikbranche belasten dürfte, jeder Artikel im Supermarkt wird mit einem Lkw angekarrt, der Spediteur muss ebenfalls höhere Spritpreise zahlen und wird sie weitergeben. Öl ist Rohstoff für Cremes und Kunststoffe, auch das wird sich irgendwann in den Endpreisen niederschlagen. Und das alles bei sowieso schon zurückhaltendem Konsum, zumindest in Deutschland. Öl, der Schmierstoff der Wirtschaft, könnte also zu ihrem Bremsklotz werden.

Deshalb liegen auf der Stirn der Wirtschaftsvertreter seit gestern noch tiefere Sorgenfalten als bisher. Purnomo Yusgiantoro, Präsident des Organisation Erdöl exportierenden Länder (Opec) befürchtet: „Das kann eine Rezession verursachen.“ EU-Währungskommissar Joaquín Almunia hofft, dass die Wachstumserwartung für die Eurozone von zwei Prozent in diesem Jahr nicht nach unten korrigiert werden muss. Frankreichs Wirtschaftsministerium rechnet damit, dass ein dauerhaft bei 50 US-Dollar liegender Ölpreis bis zu ein Prozent Wachstum kosten würde.

Wie Unternehmen mit steigenden Kosten umgehen ist bekannt – der Rotstift setzt meist beim Personal an. Ein Gegenkonzept wurde gestern in der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen verabschiedet. Angesichts steigender Rohöl- und Rohstoffpreise fordern sie die Betriebe zu Einsparungen bei Material- und Energiekosten auf. Die Unternehmensberatung Arthur D. Little sehe kurzfristige Einsparpotenziale von bis zu 20 Prozent, sagte Fritz Kuhn, wirtschafts- und arbeitspolitischer Experte von Bündnis 90/Die Grünen der taz. Das Problem sei fehlendes Wissen: „Das normale Unternehmen ist gewohnt, Personalkosten zu senken. Wir müssen jetzt in die Beratung einsteigen“, regte er an. Rund neun Millionen Euro veranschlagt Kuhn dafür in den nächsten zwei Jahren.

Doch die Ölpreisentwicklung berge auch Konsequenzen für Forschung und Entwicklung. „Bei einem Ölpreis von mehr als 50 US-Dollar ist doch völlig klar, dass wir weg vom Öl und weg von den teuren Rohstoffen müssen“, sagte Kuhn. Der Kanzler müsse dieses Ziel nun „in den Mittelpunkt der Innovationsdebatte stellen“.

Schröder hingegen sieht einen anderen Ansatzpunkt. „Wir müssen international abgestimmt mehr Transparenz in die Ölpreisgestaltung bringen“, sagte er gestern mit Blick auf das bevorstehende G-7/G-8-Treffen in Washington. Der derzeit weltweit hohe Ölpreis sei das Ergebnis hoher Nachfrage, aber auch von Spekulation. Daran hätten weder die Abnehmer- noch die Förderländer ein Interesse.

Vorerst hilft wohl nur sparen. Das übt auch für die Zukunft. Denn Experten erwarten, dass die anhaltenden Konflikte im Nahen Osten, wo zwei Drittel der weltweiten Ölreserven liegen, den Preis langfristig auf hohem Niveau stabilisieren werden.