Der Erde so nah

Seit gestern Morgen steht der Turm der Kirche St. Johann Baptist in der Severinstraße schief. Mögliche Ursache: Bauarbeiten für die U-Bahn

Von Ruth Helmling

Es ist verdächtig ruhig in der Severinstraße an der Kirche St. Johann Baptist. Kein Auto, kein Baulärm, und auch die Glocken schweigen. Wildfremde Menschen versammeln sich auf der Straße und starren auf den Kirchturm: Der steht seit gestern Morgen überraschend schief.

Gegen zwei Uhr in der Früh sackte der Turm ein und neigte sich an der Spitze einen Meter in nordwestliche Richtung. Um 2.02 Uhr löste die Bewegung in der Kirche eine, vn Alarm aus, drei Minuten später standen die Feuerwehrmänner mit ihren Löschfahrzeugen bereit. Nur: Zu löschen gab es nichts. Die Polizei sperrte den Platz um die Kirche ab, auch die Auffahrt zur Severinsbrücke wurde teilweise abgeriegelt. Vorsorglich wurden 65 Menschen aus drei Häusern evakuiert. Eine Einsturzgefahr besteht jedoch nach Aussagen der Feuerwehr nicht.

„Meine Mutter hat um vier bei mir angerufen. Sie war ganz durcheinander“, erzählt eine Frau dem Polizisten, der die Absperrung bewacht. Ob sie noch einmal kurz ins Haus dürfe, ein paar Sachen holen? Der Polizist nickt. Bärbel M. wohnt auf der sicheren Seite des Turms. Sie hat die Attraktion vor ihrem Fenster im dritten Stock „erst durch den Radiowecker“ mitbekommen. „Wenn ich schlafe, dann schlafe ich“, lacht sie. Genau wie die alte Frau im ersten Stock. „Ich frag mich, was die damit gemacht haben“, schüttelt sie den Kopf. „Das kam mir eh schon komisch vor, dass die so nah an der Kirche vorbei gebohrt haben.“

Die – das ist die KVB, die für den Bau der Nord-Süd-Bahn an der Severinstraße die Leitungen aus einem Versorgungsschacht verlegt – unter dem Kirchturm durch auf die andere Seite. Dort zeigt schon ein tiefes Loch, wo der zukünftige Schacht einmal sein wird. Seit einer Woche bohren Bauarbeiter ununterbrochen in 12 Meter Tiefe, ungefähr 6,50 Meter unter den Fundamenten des Turms, einen Verbindungstunnel zwischen dem alten und dem neuen Schacht.

KVB-Vorstand Walter Reinarz erklärt: „Unser Ziel ist es, den Gläubigen die Kirche so zurückzugeben, wie wir sie mal war.“ Wie und ob das überhaupt funktionieren kann, weiß er noch nicht. Der erste Schritt sei die Sicherung gewesen, so der CDU-Politiker. In Begleitung der Autobahnpolizei rollten gestern Stahlträger aus Duisburg/Wedau an, die den Turm auf der Westseite abstützen sollen. Bis heute Mittag soll das Gerüst stehen. Dann will die KVB eine Straßenbahn, ein paar LKW und Autos auf die benachbarte Severinsbrücke fahren lassen und messen, ob die Erschütterung dem Turm etwas ausmacht. Die Projektleiter gehen davon aus, dass die Anwohner danach wieder nach Hause und Autofahrer wieder über die Brücke dürfen.

Warum der Turm in die Erde sackte, ist Projektleiter Lutz Tempel ein Rätsel: „Wir vermuten, dass es Hohlräume im Boden gibt.“ Der Boden sei zuvor in einem „Standardverfahren“ untersucht worden. Dabei sei nichts Auffälliges festgestellt worden. Wie groß der Schaden sei, könne die KVB noch nicht abschätzen, so KVB-Vorstand Reinarz. Die Kosten trage die Versicherung, die Verantwortung die Arbeitsgemeinschaft Nord-Süd-Stadtbahn, Los Süd.

Bürgertelefon: 0221/9748723