Clowns im Dutzend

Gewagte, leider gescheiterte Kombination: Cindy Sherman und Miquel Barceló in der Kestnergesellschaft Hannover

Sherman irritiert durch Hochglanz-KünstlichkeitBarceló transzendiert seine prominenten Vorbilder nicht

von Barbara Weissenborn

Superlativ trifft Weltpremiere: Cindy Shermans „Clowns“ und die erste retrospektiv angelegte Ausstellung des Spaniers Miquel Barceló sind in der Kestnergesellschaft Hannover zu sehen. Die großformatigen Fotos der First Lady inszenierter Fotografie und Werke des Prinz von Asturien-Preisträgers Barceló zur selben Zeit im gleichen Museum: „Eine kleine Sensation!“ freut sich Kestner-Chef Veit Görner.

„Die Arbeiten Shermans werden bei uns zum ersten Mal überhaupt gezeigt“, betont Görner, „von einer Präsentation in der New Yorker Galerie der Künstlerin einmal abgesehen“. Eigentlich war die Ehre der „Clowns“-Premiere dem Kölner Museum Ludwig zugedacht. Koordinationsschwierigkeiten in Köln und die Flexibilität in Hannover hätten dazu geführt, dass Hannover den Zuschlag erhalten habe, erzählt Görner stolz.

Bisher hatte sich Cindy Sherman mit aufwendigen Verkleidungen, ausgefeiltem Make-up und prosthetischen Hilfsmitteln in Figuren der Historie, Pin-Ups, Hollywood-Stars oder All American Girls verwandelt, aber an ihrem Körper auch den Zerfall, sexuelle Verwirrung sowie gewalttätige Exzesse inszeniert und abfotografiert. Ihre „Clowns“ sind dagegen von einer ganz neuen Hochglanz-Künstlichkeit, da in einem digital produzierten Farbrauschen platziert.

Erst auf den dritten Blick offenbart sich hier Shermans Versuch, der Auseinandersetzung mit Rollenklischees, Gesellschaftskritik und weiblichem Selbstverständnis auch in dieser Ausstellung eine Plattform zu bieten. In den großen, hellen Kestner-Räumen arrangiert, wirken die neuen Fotoarbeiten eben zuerst durch plakative Buntheit.

Die Künstlerin ist sich, wie immer, selbst Modell, Fotografin und Ideengeberin. Und so offenbaren die „Clowns“ – allen Oberflächenreizen zum Trotz – eine weitere Etappe der Sherman‘schen Identitätssuche. Und das bei jedem Foto aufs Neue. Clowns, Cindy Sherman als Clowns, dank digitaler Bildbearbeitung sogar mit sich selbst zur Clowngruppe vereint. Vordergründig maskierte Hintergründigkeit.

Sherman zeigt grell geschminkte Spaßmacher mit diabolischem Blick. Unangebrachte Heiterkeit über erstarrtem Lächeln. Tiefe Trauer mit aufgemalter Fratze. Böse, arrogant, gelangweilt, einfältig, gierig sind die Figuren; der Clownrollen-Vielfalt sind auch ästhetisch keine Grenzen gesetzt.

Weniger Unverwechselbares bietet ihr spanischer Kollege, der documenta 7-Teilnehmer Miquel Barceló, Jahrgang 1957. Großformatige Leinwände beklebt er mit Papier, Sand, diversem Abfall und bemalt alles in zurückgenommener Farbigkeit. Impressionen seines Alltags will Barceló so präsentieren – mit vielfach verzerrten Perspektiven. Überdimensionale Artischocken im Farbsalat, kleinformatig pittoreske Marktszenen fürs Wohnzimmer und moralschwer gekreuzigte Pferde in Somalia sind da zu finden – Letzteres für den politischen Anspruch. Dazwischen Skulpturen, die auch von Giacometti oder Mirò sein könnten.

Überhaupt: der Katalog der Wanderausstellung (eben noch in Sao Paulo, anschließend in Mexiko City) erhellt ganz ungeniert die Tatsache, dass Miquel Barceló sich seiner verschiedenen Vorbilder bedient, ohne den Wunsch zu haben, diese wirklich zu überwinden. Da ist zum Beispiel eine abstrakt anmutende, monumentale Komposition, deren Bezüge zu Künstlern wie Gaudi, Fontana, Miró und Beuys das Werk als pur eklektizistisch entlarven.

Schärfer könnte der Kontrast zur One-Woman-Show Cindy Shermans kaum sein. Aber die Tatsache, dass nur ihr Name gegenüber der Eingangstür in giftgrünen Lettern die Wand hochwächst, wird das Publikum ohnehin zu den „Clowns“, nicht zu Miquel Barcelós Artischocken führen.

Geöffnet täglich 10–19, Do bis 21 Uhr, Kestnergesellschaft Hannover; bis 7.11.