Der gefloppte Klau

Pro7 hat „Hire or Fire“ gefeuert – vielleicht, weil es bloß einer der vielen Formatklone war, mit denen die Sender das Programm überschwemmen

VON WILFRIED URBE

Vielleicht war es einfach zu spät. Vielleicht ist eine Show wie „Hire or Fire“ in Zeiten von Hartz IV nicht gerade das, worauf die Zuschauer gewartet haben. „Die Zielgruppe, die für die Sendung in Frage gekommen wäre, hat sich mittlerweile aufgelöst“, fasste jedenfalls – mit Blick auf längst vergangene New-Economy-Zeiten – der Medienexperte Lutz Hachmeister zusammen. Insofern war es nur konsequent, dass Pro7 sich entschied, die Karriere-Show mit Ex-Endemol-Chef John de Mol bereits nach der ersten Folge am Montag „mit sofortiger Wirkung“ abzusetzen. Sechs Prozent Marktanteil selbst in der werberelevanten Gruppe der 14- bis 49-Jährigen waren dem Sender einfach zu wenig.

Vielleicht war Pro7 aber auch schlicht zu früh dran. Vielleicht ließ sich in der Windeseile, in der „Hire or Fire“ entwickelt und ins Programm genommen worden war, einfach kein Zuschauerhighlight herstellen.

Aber mehr Zeit war nicht: Galt es doch, der RTL-Reihe „Big Boss“ mit Reiner Calmund zuvorzukommen, Ende Oktober starten soll – als offizielle Lizenz-Version des erfolgreichen US-Formats „The Apprentice“, produziert von Grundy Light Entertainment. „Bei ProSieben gab es handwerkliche Mängel – zerstückelte Situationen, keine zusammenhängende Geschichte, ein schlecht ausgewählter Cast“, heißt es unter der Hand bei der Konkurrenz. Das Ganze sei ein Beispiel dafür, wie schnell gemachte Kopien ein ganzes Genre „runterreißen“ – und bei weitem kein Einzelfall.

„Es wird geklaut, was das Zeug hält“, ärgert sich auch Axel Kühn von Tresor TV. Während die einen Lizenzen erwerben, schauen die anderen bloß genau hin und machen dann nach.

„Wifeswap“ etwa, dessen Rechte Tresor TV für RTL von der englischen Firma RDF gekauft hatte, wurde von RTL2 kopiert und unter dem Titel „Frauentausch“ gezeigt. Auch für das Format „Die Alm“ auf Pro7 dürfte das Vorbild „The Farm“ gewesen sein, ein Format, das sich RTL bereits schon länger vom schwedischen Erfinder gesichert, aber noch nicht gezeigt hat, während Pro7 wiederum längst die US-Folgen des Konkurrenzformats „The Simple Life“ mit Paris Hilton ausgestrahlt hat.

Ein weiterer aktueller Fall ist „Supernanny“ auf RTL, das als „Supermamas“ wenige Tage nach der RTL-Premiere auf RTL2 gestartet ist. Und der „Big Boss“-Produzent Grundy wiederum klonte den Endemol-Klassiker „Wer wird Millionär“ (RTL) als „Die Quiz Show“ (Sat.1), die ihrerseits für „Das Quiz“ (ARD) Pate stand. Die Liste ließe sich noch lange fortführen, und selbst die öffentlich-rechtlichen Sender mischen mittlerweile kräftig mit. „Einer ganz besonderer Fall war das ‚Schwarzwaldhaus‘“, erinnert sich Tresor-TV-Mann Kühn. Ohne Lizenzen übernahm die ARD das Konzept von der englischen Firma „Wall to Wall“ und zeigt mit dem „Gutshaus“ demnächst sogar eine Art Fortsetzung. Doch führt laut Kühn der Wettlauf letztlich nur dazu, dass ganze Genres immer schneller verbraucht werden und die Qualität der Produkte rapide sinkt.

Auch das Unternehmen Eyeworks sieht sich durch die Plagiate der Konkurrenz betroffen. Allerdings, so der Geschäftsführer der deutschen Niederlassung, Oliver Fuchs: „Letztendlich ist es wie in anderen Industriezweigen auch, wo es Nutella gibt, gibt es auch Nutoka – das Original wird jedoch langfristig immer erfolgreicher sein.“ Die Beeinträchtigung der Qualität bemängelt aber auch er.

Zusätzlich geht es auch um sehr viel Geld. „Ungefähr 300.000 Euro an Lizenzgebühren sind uns verloren gegangen“, beklagt Matthew Frank vom „Wifeswap“-Produzenten RDF. Rund 500 Millionen Euro, so eine Schätzung von NRW-Staatssekretärin Miriam Meckel, soll der Handel mit Formaten allein in Europa betragen.

Doch während die rechtliche Situation für den Ideen- und Formatklau hierzulande recht unklar ist, entscheiden Gerichte in anderen Ländern längst anders. In Brasilien etwa bestätigte der oberste Gerichtshof der Firma Endemol durch die dortigen „Big Brother“-Kopierer einen Schaden von etwa 600.000 Euro und legitimierte Lizenzansprüche von 1,5 Millionen Euro für die Holländer: „Ein TV-Format“, so die Begründung, „ist mehr als nur die zentrale Programm-Idee. Sie beinhaltet auch viele weitere wirtschaftliche, künstlerische, technische und geschäftliche Informationen“ – und die Möglichkeit des Scheiterns natürlich.