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: Tiefer kann Berlin nicht sinken

Achtung! Nicht erschrecken! Es gibt eine tolle Nachricht: In den Fußballbundesligen der Republik kann es mit der Hauptstadt in dieser Saison nur noch aufwärts gehen! Tiefer als zeitgleich in der 1. und der 2. Liga Letzter zu sein, kann eine einzige Stadt gar nicht sinken.

Nicht mal Berlin.

Natürlich könnte es irgendwann mal noch weiter bergab gehen. Durch Abstiege, Insolvenzen, Einstellung des Spielbetriebs, Gaunereien oder ähnliche geläufige Berliner Entwicklungen. Aber man sollte sich nicht zu sehr mit der Zukunft belasten, die Gegenwart ist heikel genug. Eigentlich wollte der erste Verein der Stadt, Hertha BSC, in dieser Saison in die Champions League, und der 1. FC Union Berlin, die Nummer zwei, dachte an Aufstieg. Seit dieser vagen Beschlusslage aus lauen Sommertagen treiben beide Clubs nichts als Unfug.

Jüngster Höhepunkt des Union’schen Schaffens war die Absetzung des Präsidenten durch den Aufsichtsrat wegen problematischer Loyalität zum Trainer. Es vermittelte sich nicht recht, ob die Loyalität zu groß oder zu klein gewesen war. Auch die Frage, ob der Präsident den Verein wirtschaftlich gerettet oder fast ins Verderben gestürzt hätte, wurde mannigfaltig beantwortet. Der Trainer ist jedenfalls noch da, ein neuer Präsident auch, der Erfolg ist weiterhin anderswo unterwegs. Da kann Nina Hagen im prächtig pathetischen Vereinslied noch so stimmgewaltig schmettern: „Immer wieder Eisern Union, immer weiter ganz nach vorn.“

Bei Hertha BSC ist derweil ein Zustand erreicht, den Manager Dieter Hoeneß jüngst mit dem schönen Begriff „Antilauf“ beschrieb. Die Mannschaft hat die Saison damit begonnen, wochenlang kein Tor zu schießen, und verweigert weiterhin jeden professionellen Sieg. Einziger Erfolg: ein 6:1 im DFB-Pokal gegen Amateure aus Reutlingen. Im Uefa-Cup erwies sich der bis dato in und um Berlin eher unbekannte Verein Groclin Dyskobolia Grodzisk-Wielkopolski schon in der ersten Runde als zu stark. In der Bundesliga wurde am neunten Spieltag Rang 18 erobert, mannschaftsinterner Widerstand regte sich kaum.

Nur das sowieso leicht humorlose Hertha-Publikum hat nun richtig schlechte Laune. Es müssen daher Taten folgen. Nicht zu erwarten steht, dass in Parallelentwicklung zu Union Hertha nun Manager Hoeneß wegen indifferenter Loyalitäten feuert. Denn Dieter Hoeneß IST Hertha BSC. Alles, was Hertha BSC in den letzten Jahren sportlich erreicht hat, hat mit seiner Arbeit zu tun. Alles, was Hertha BSC in den letzten Jahren sportlich nicht erreicht hat, auch. Mal hat man einen Lauf, mal einen Antilauf.

Man darf darob aber nicht hämisch werden. Vermutlich geht niemandem die Kapitulation der Hertha-Mannschaft vor dem Fußball so nahe wie Hoeneß.

Außer vielleicht Maskottchen Herthinho, einem liebenswerten Wesen, das aus Prinzip immer schweigt. Am Sonnabend sah Herthinho mit seiner Bärenkopfmaske und seinem Bärenfellkostüm jedenfalls viel trauriger und gebeugter aus als sonst.

Herthinho ist ein guter Junge. So wie „Eisern Union“ eine gute Vereinshymne ist. Und das ist alles, wirklich alles, was der Berliner Fußball vorzuweisen hat im Oktober 2003: ein erfundenes Felltier und ein trotziges Lied.

Aber von nun an wird alles besser, von nun an wird bergauf gelaufen! KATRIN WEBER-KLÜVER