Weiße Flecken und schwarze Löcher

betr.: „Gentechnikgesetz. Freiheit der Wissenschaft“, taz vom 24. 9. 04

Die Ureinwohner Nordamerikas und Australiens, unter deren Wohngebieten sich Uranlager befinden, haben ja auf ihre Weise schon in den 70er-Jahren dem „weißen Mann“ eindringlich zu verstehen gegeben, mit welchen Folgen er beim Abbau, der Umwandlung und der kriegerisch/friedlichen Nutzung zu rechnen hat. Inzwischen ist jegliches Lächeln über eine solch archaische Technikfolgenprognose verschwunden und sind die Lasten nicht mehr abschätzbar.Was auf atomarem Gebiet unabhängige Physiker und Ärzte längst bestätigt haben: dass unser Bild von den kleinsten Bausteinen der mineralistischen Materie große weiße Flecken hat und es nicht erstaunt, wenn nach 60 Jahren Anwendung noch keine Idee vom Himmel gefallen ist, um die neu entstandenen Elemente in den globalen Naturzusammenhang zu reintegrieren. Analog zu diesem geschichtlichen Vorgang stellten unabhängige Grundlagenforscher genauso viele weiße Flecken im Bild fest, das wir uns von den kleinsten organischen Bausteinen der Zellen machen. Solange solche weißen Flecken (oder schwarze Löcher?) unaufgeklärt sind, gibt es keine Balance zwischen Risiko und Chance bei der technisch-kommerziellen Anwendung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse. Können wir uns dies angesichts der angestiegenen Gefährdungen auf allen Gebieten leisten? Freiheit der Wissenschaft beginnt da, wo erkannt wird: „Die Natur ist nicht das Problem, sondern das Bild, das wir uns von ihr machen“ (Werner v. Heisenberg). GISELA V. CANAL, Ulm

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