steffen grimberg
: „Tatort“ ermittelt

Zu einer Erstzeitung, also so einer wie der, die gerade eben Sie, geschätzte Leserinnen und Leser, in Händen halten, zu so einer Erstzeitung gehört der „Tatort“ zum Wochenende wie der Dieter zur Bild, sagt der Chef.

Und früher, so Anfang der Siebzigerjahre, war das alles noch ganz einfach: Hansjörg Felmy ermittelte als Kommissar Haferkamp und stellte sich dabei immer ein bisschen an wie der Inspektor Drake aus den Edgar-Wallace-Filmen. Das gelang ganz prachtvoll, weil der Inspektor Drake in den Edgar-Wallace-Filmen auch von Hansjörg Felmy gespielt wurde.

Heute, wo Bild und Bohlen nur noch zusammengedacht werden dürfen („Martin Walser findet Buch von Dieter Bohlen großartig“), heute sind zwar auch noch der ARD-Sonntagskrimi und seine Leichen quasi in Schicksalsgemeinschaft verbunden. Aber das war’s dann auch.

Denn der „Tatort“ vom vergangenen Wochenende traute sich endlich etwas, wovon wir immer heimlich träumen, wenn sich Miroslav Nemec oder Maria Furtwängler durch München oder Hannover drängten: Er nahm nichts und niemanden mehr ernst. Am allerwenigsten sich selbst. Natürlich kann man jetzt sagen: Aber das war doch beim Hamburger Weltuntergangsgespann Manfred Krug und Charles Brauer schon so! Stimmt aber nicht. Und außerdem wurde am Ende (Schauder!) gesungen. Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) ist solcher Exzesse zum Glück gänzlich unverdächtig. Obwohl: Es reichte in dieser Folge ja schon zu einem gutturalen Lachanfall … Kommt da etwa mehr? Die Fälle aber, deren einer sich später als assistierter Selbstmord und der andere als semitragischer Unfall entpuppte, waren schlicht Nebensache.

Im Subtext ging es dafür um – gesellschaftlich höchst real – die Frage, was passiert, wenn sich einer der Mitermittler (Professor Boerne) in eine Frau im Rollstuhl verliebt. – Antwort, leider: Er traut sich doch nicht.

Doch ganz auf die Spitze treiben will’s die ARD dann doch nicht: Der gemeine Krimifan könnte sonst aussteigen bei plötzlich auftauchendem kiffendem Sachverstand aus England, der wegen seiner Reisephobie nach überstandenem Transfer erst mal die Bahnsteigkante im Münsteraner Hauptbahnhof küsst. Und der eigenlich nur eingereist war, um Prahls pathologischen Partner Boerne bei der Rekonstruktion verblichener Wiedertäufer zu assistieren, dann aber doch im Hier und Jetzt aufklärerisch tätig wurde.

Was würde Martin Walser dazu sagen? Da fehlt bald nur noch ein Polizeipräsidenten fressender Kaffee-Automat, und man wäre endlich im Elysium von „Kottan ermittelt“, jener Anarchokriminalistik des Österreichischen Rundfunks. Da bleibt aber die ARD vor. Und die Leute vom ORF gehen in Deutschland deshalb alle – zu RTL.