Kultusminister versuchen ihren Ruf zu retten

Die Schulpolitiker werden die Pisa-Bilanz wohl überleben. Ob die im Koma liegende Schule durchkommt, ist fraglich

Heute ist so etwas wie Bilanzkonferenz. Allerdings geht es nicht um die Quartalszahlen von Daimler, Siemens oder BMW. Analysiert wird eine andere Traditionseinrichtung – die deutsche Schule. Der ergeht es durchaus wie einer ins Trudeln gekommenen Aktiengesellschaft: Das Vertrauen der Anleger, sprich der Eltern und Schüler, in die Qualität des Produkts ist rapide gesunken. Schwer in die Kritik geraten sind längst auch die Mitarbeiter, die Lehrer. So weit, so schlecht.

Das Schlimmste für die Schule aber ist: Die Krise hat das Topmanagement erreicht. Der Ruf der Kultusminister ist schlechter als der von Milliardenvernichtern wie Schrempp und Consorten. Während man bei den Nieten in Nadelstreifen nur deren Auswechslung fordert, geht es bei der Kultusministerkonferenz um alles. Die KMK muss weg! Das ist der Schlachtruf nicht nur der FDP-Populisten.

Die Frage vor der heutigen Veranstaltung lautet also: Kann die Kultusministerkonferenz ihren Kopf aus der Schlinge ziehen? Erst danach wird in der Berliner Humboldt-Uni das eigentliche Thema interessant, die „Qualitätsentwicklung im Bildungswesen – eine Zwischenbilanz“.

Die Kultusminister haben Glück, die Debatte um ihre Existenzberechtigung verläuft chaotisch. Kaum einer der Putschisten kennt die Genese der KMK. Sie ist fest in der Bundesrepublik verankert, genauer: Sie ist älter als die Republik und hat quasi Bestandsgarantie.

Aber selbst eine Reform der KMK ist so einfach nicht. Das sie kennzeichnende Einstimmigkeitsprinzip abzuschaffen hieße eines ihrer Lebenslichter auszuhauchen: Entweder fällt dann die Kulturhoheit der Länder den Beschlüssen von Mehrheiten zum Opfer – oder es leidet die Mobilität im Bildungswesen, sprich: die Anerkennung von Schul- und Uni-Abschlüssen über Landesgrenzen hinweg.

Das Imageproblem der KMK bleibt jedoch bestehen. Es scheint ja gerade so, als wirkten die Kultusminister in lustvoller Selbstzerstörungswut an ihrer Demontage mit. In ihrem Kerngeschäft ist die KMK seit Pisa 2000 praktisch tatenlos, weil handlungsunfähig geblieben. Die in der Humboldt-Uni angebotenen Themen – verändertes Lernen, Sprachförderung, Bildungsstandards und Ganztagsschulen – sind wichtige Punkte, nur lassen sie die Gretchenfrage offen: Sind die enormen Leistungs- und Gerechtigkeitsdefizite der deutschen Schule heilbar?

Die heutige Bilanzkonferenz wird, davon ist auszugehen, zunächst für Beruhigung sorgen. Als Chefanalysten haben die Kultusminister nämlich nicht den provozierenden Pariser Pisaforscher Andreas Schleicher eingeladen, sondern den taktisch viel gewiefteren Jürgen Baumert, den deutschen Pisa-Zauberer.

Baumert ist ein Meister der Verschlüsselung. Für ihn steht fest, dass die gegliederte Schule stark selektive Tendenzen aufweist. Bei ihm heißt das: Je früher SchülerInnen auf unterschiedliche Bildungsgänge verteilt werden, desto kürzer werde das Zeitfenster, um herkunftsbedingte Leistungsunterschiede auszugleichen.

Baumert wird dennoch nicht die Einführung einer Gesamtschule empfehlen. Solche monokausalen Schlüsse sind für ihn weder historisch noch logisch vertretbar. Er wird vielmehr einen auf die Qualität des Unterrichts zielenden Modernisierungsprozess beschreiben. Dieser soll es möglich machen, „unbefangener über die Reduktion äußerer Differenzierung zu reden“ – irgendwann einmal.

CHRISTIAN FÜLLER