DIE ZUKUNFT BLAIRS IST AUCH NACH DEM PARTEITAG NICHT ENTSCHIEDEN
: Tony-Show ohne Konsequenzen

Begeisterungsstürme wie in den ersten Jahren seiner Amtszeit kann Tony Blair den Delegierten auf dem Labour-Parteitag nicht mehr entlocken. Dabei war die Rede nicht mal schlecht, wenn man bedenkt, was er damit bezweckte: Es ging ihm darum, die Irakklippe zu umschiffen und das Augenmerk auf innenpolitische Themen zu lenken, denn im nächsten Jahr will Blair eine für Labour historische dritte Amtszeit als Premierminister antreten.

Die Delegierten wissen aber, dass sie eigentlich nur noch Statisten sind. Dazu haben sie sich freilich selbst gemacht. Seit er vor zehn Jahren an die Parteispitze gewählt wurde, hat Tony Blair die Strukturen, die die Parteiführung kontrollieren sollten, Stück für Stück ausgehebelt. Inzwischen hat selbst sein Kabinett nichts mehr zu sagen, die Entscheidungen treffen Blair und seine engsten Vertrauten, die von niemandem gewählt sind. Der Parteitag, früher eine bedeutende politische Einrichtung bei der Labour Party, ist zur Verkaufsveranstaltung, zur Tony-Show geworden. Und selbst die hält Blair eigentlich für überflüssig.

Die Delegierten haben die Neuordnung ihrer Partei bisher hingenommen, weil sie von den bisherigen Wahlerfolgen wie hypnotisiert sind. Entscheidungen werden auf Labour-Parteitagen längst nicht mehr getroffen. So konnte Blairs Parteitagsrede auch nicht über seine Zukunft als Premierminister entscheiden, wie verschiedene britische Zeitungen im Vorfeld gemunkelt hatten.

Die entscheidet sich anderswo – zum Beispiel bei der Nachwahl heute in Hartlepool, die erforderlich ist, weil Blair seinen engen Vertrauten, den skandalbelasteten Peter Mandelson, nach Brüssel geschickt hat. Er hatte in Hartlepool eine komfortable Mehrheit von mehr als 14.000 Stimmen. Kann Blairs Protegé Ian Wright, der Mandelsons Nachfolge antreten will, diesen Vorsprung halten, droht Blair bis zu den Wahlen im nächsten Jahr keine Gefahr. Büßt Wright jedoch erheblich an Stimmen ein oder verliert gar gegen die Liberalen Demokraten, tritt der Fall ein, für den Balir seinen Rücktritt angekündigt hat: Dann ist er zum Wahlrisiko für seine Partei geworden. RALF SOTSCHECK