Österreichs Regierung enthauptet sich

Die Umbildung der schwarz-blauen Koalitionsregierung in Wien wird von Jörg Haider in Kärnten bekannt gegeben

Haider drängte seit Monaten auf die Ablösung des Vizekanzlers Herbert Haupt

WIEN taz ■ Jörg Haider greift wieder nach der Macht. Zumindest wurde sein dringender Ruf nach einem Neustart der österreichischen Bundesregierung jetzt teilweise erhört. FPÖ-Parteichef Herbert Haupt wird als Vizekanzler von Infrastrukturminister Hubert Gorbach (47) abgelöst. Als Parteichef bekommt er eine(n) geschäftsführenden Obmann/Obfrau zur Seite gestellt. Voraussichtlich bekommt diesen Posten Ursula Haubner, die Familienstaatssekretärin und ältere Schwester Jörg Haiders. Sie gilt als Integrationsfigur in der FPÖ.

Die Öffentlichkeit wurde gestern über die Rochade in der Regierung aber nicht von den Betroffenen oder von Regierungschef Wolfgang Schüssel informiert, sondern von Jörg Haider in Kärnten. Während Schüssel und Haupt sich nach einem Termin bei Bundespräsident Thomas Klestil in geheimnisvolles Schweigen hüllten, ließ der Kärntner Landeshauptmann die Katze aus dem Sack. Er sprach von einer „guten Lösung“, die es der Regierung jetzt erlaube, „ordentlich durchzustarten“ und die „Herzen der Menschen“ zu gewinnen. In den Umfrageergebnissen der letzten Monate liegen die Regierungsparteien hinter der Opposition. Nur noch 6 Prozent der Befragten sind mit der schwarz-blauen Koalition glücklich. Die meisten Reformen landeten vor dem Verfassungsgerichtshof, der viele wegen Schlampereien oder absichtlich in Kauf genommener Verfassungswidrigkeiten aufhob.

Besonders Herbert Haupt, der vorerst Sozialminister bleibt, machte in den letzten Monaten eine zunehmend unglückliche Figur. Zerrissen zwischen den Sachzwängen der Zusammenarbeit mit einem stärkeren Partner und den stetigen Zurufen aus Kärnten, hatte er bei allen größeren Gesetzesvorhaben mehrmals die Position gewechselt. So kündigte er zunächst Widerstand gegen soziale Härten an und trug dann schließlich doch alles mit. Haider drängte seit Monaten auf seine Ablösung als Parteichef und Vizekanzler.

Der SPÖ-Vorsitzende Alfred Gusenbauer und der Grünen-Chef Alexander Van der Bellen kommentierten den Wechsel mit Sarkasmus. Was das Land brauche, sei ein Kurswechsel und nicht der Austausch von Köpfen, so Gusenbauer. „Was soll sich ändern, solange die Bundesregierung den Launen des Kärntner Landeshauptmanns ausgeliefert zu sein scheint?“, fragte Van der Bellen. Beide verlangen auch den Rücktritt von Finanzminister Karl-Heinz Grasser (parteilos und Ex-FPÖ), dem sie nicht nur die Verschlechterung von Wirtschaftdaten und den Anstieg der Arbeitslosigkeit, sondern auch schlampigen Umgang mit den eigenen Finanzen anlasten. Von der von der Industriellenvereinigung gesponserten privaten Homepage des Ministers über nicht versteuerte Honorare bis zu fragwürdigen Börsenspekulationen reichen die Skandale, die Grasser nach Meinung der Opposition und inzwischen auch einiger FPÖ-Politiker untragbar machen.

Hubert Gorbach, der neue Vizekanzler, gilt als loyal zum jeweiligen Parteichef und als Vertrauter Haiders. Der Vorarlberger Absolvent einer Handelsakademie und langjährige Landesrat konnte es bisher vermeiden, in parteiinternen Konflikten klar Stellung zu beziehen. Er steht dem Papierindustriellen und Dritten Nationalratspräsidenten Thomas Prinzhorn nahe und teilt dessen neoliberale Grundhaltung. Doch auch mit Kanzler Schüssel hatte er stets eine Gesprächsbasis. Kommentatoren bezweifeln aber, dass die Kabinettsdauerkrise mit dem Wechsel beigelegt ist. RALF LEONHARD