umweltbewusstsein
: Das Ende der Ökobewegung

Das Thema Umwelt ist tot? Keineswegs. Wer dies sagt, hat entweder keine Ahnung oder ein Interesse daran, dass über Ökologie und Nachhaltigkeit geschwiegen wird. Die aktuelle Studie „Umweltbewusstsein in Deutschland 2004“ legt genau das Gegenteil nahe: Nie zuvor waren so weite Teile so gut informiert über den Zustand der Umwelt. Nie zuvor wussten so viele Menschen, was sie tun müssen, um ihre eigenen Lebensgrundlagen zu schützen. Selten zuvor wurde aber auch so deutlich: All das Wissen und die guten Absichten werden kaum umgesetzt.

KOMMENTARVON BERNHARD PÖTTER

Die Studie, die den Deutschen alle zwei Jahre den Ökopuls misst, liest sich als Erfolgsgeschichte der Ökobewegung: Die Menschen finden Atomkraft gefährlich, wollen kein Genfood, sie wollen mehr Umweltschutz in der Politik, mehr Bahn und weniger Auto, sie wollen Klimaschutz und finden, dass die Medien zu wenig über Umwelt berichten.

So weit, so öko. Doch erfrischend ehrlich sagen die Deutschen – also wir – auch, was man uns besser nicht zumuten sollte: Die Bahn ist keine Alternative zum Auto, und die Ökosteuer finden wir sozial ungerecht. Nachhaltigkeit finden wir gut, wissen aber nicht, was sie bedeutet.

Die Studie markiert damit das Ende der Umweltbewegung, wie wir sie kennen. Denn ganz groß sind wir, wenn wir saubere Schornsteine in den Fabriken fordern oder ein Ende des Raubbaus am Amazonas-Regenwald. So ist die Umweltbewegung mit all ihren Filialen – grünen Parteien, Umweltbürokratien, Verbänden – groß und mächtig geworden. Mit der Haltung: Die Ökoschweine sind die anderen.

Das funktioniert immer weniger. Die Ökoschweine sind wir selbst. Auch der Grünen-Wähler und der Greenpeace-Aktivist. Und das ist die Herausforderung und die Chance einer neuen Umweltbewegung. Natürlich muss sie weiter gegen eine kurzsichtige und menschenverachtende Politik und Wirtschaft demonstrieren. Aber vor allem müssen wir Ökos uns an die eigene grüne Nase fassen: Wenn denn wirklich 20 Prozent der Bevölkerung eine Öko-Avantgarde sind, warum haben dann Ökostrom, Biolebensmittel und Sparautos nicht einen Marktanteil von 20 Prozent? Nur wenn es die Umweltbewegung mit all ihren inzwischen zu Macht, Geld und Einfluss gekommenen Organisationen schafft, die Umweltpolitik in die Reihen ihrer eigenen Mitglieder zu verlagern, wird sie tatsächlich das Land und die Welt verändern.

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