Peinliche Selbstbespiegelung

Guido Lambrechts Monolog „Casanova – die Welt ist eine Hure“ in der Gründgens-Loge des Schauspielhauses

Sex geht immer. Warum nicht im intimsten Kreis über die intimste Sache der Welt reden? Nur 20 Zuschauer, davon 90 Prozent weiblichen Geschlechts, lauschen Guido Lambrechts Monolog „Casanova – die Welt ist eine Hure“ am Premierentag. Mehr passen auch gar nicht in die zum rotplüschigen Boudoir und gruftähnlichen Schlafgemach umgebaute Gründgens-Loge im Schauspielhaus.

Friederike Czeloth hat Zitate aus den Memoiren des berühmtesten Verführers des Abendlands ausgewählt, die von Schlüsselerlebnissen in der Kindheit über deftige amouröse Verstrickungen bis zum bitteren Ende von Casanovas erotischer Anziehungskraft reichen. All das würzt die 1980 geborene Regisseurin mit Bekenntnissen Lambrechts über seine Karriere als Schauspielerinnenstecher.

Mit allen am Hamburger Schauspielhaus habe er angeblich geschlafen. Und er zählt sie selbstzufrieden an den Fingern ab: Maja Schöne, Mira Bartuschek, Christiane von Poelnitz, Ilse Ritter und so weiter und so fort. Nicht zu vergessen die Garderobieren, die Praktikantinnen, die Kostümbildnerinnen und so weiter und so fort. Schon beeindruckend, dieser Frauenverschleiß. So beeindruckend, dass drei Mädels aus dem Publikum immer hysterisch kichern, sobald Lambrecht in ihre Richtung guckt. Ja, intim ist das Ganze schon. Jede Schweißperle, jede Pore ist auf dem weiß geschminktem Gesicht unter der Zopfperücke zu erkennen. Wenn sich Lambrecht zum “Arschficker-Song“ wiegt, ist kein Entkommen möglich.

Wer hautnah Schauspielkunst erleben möchte, ist hier genau richtig. Lambrecht zieht als galanter, charmanter, leidenschaftlicher Verführer alle Register, auch als verlebter, enttäuschter, weinerlicher und wütender alternder Lebemann weiß er zu überzeugen.

Schade nur, dass Czeloths Interpretation des Casanova-Mythos im Altbekannten stecken bleibt und vor allem dessen sex- und liebessüchtige Seite herausstellt. Eine Erklärung dafür hat sie auch parat: Dem Mann hat schlicht die Mutter gefehlt. So muss Lambrecht mehrmals verzweifelt nach Mama rufen, zum Schluss hallt sein einsamer Schrei gar durchs leere Schauspielhaus.

Peinlich. Doch die Wirklichkeit ist noch viel peinlicher. Auf dem Nachhauseweg beim Warten auf die U-Bahn zieht ein Kiosk am Bahnsteig die Blicke auf sich. Auf den Titelseiten der Frauen- und Männerzeitschriften prallt einem die sexsüchtige Gesellschaft entgegen: „Sex: Die Lehre der Lust.“ „Sexy Röcke.“ „Sex ist die Lösung.“ „Sexy Haare.“ „Sie will Sex.“ Nein danke, heute nicht mehr. Karin Liebe

Nächste Vorstellungen: heute sowie 7.10., 23 Uhr Gründgens-Loge, Schauspielhaus