Village Voice
: Zuhören, entspannen, nachdenken, wie in Berlin Musik clubtauglich gemacht wird: dezent beim elektronischen Feinlabel ~scape und als Reprise der Historie mit Gudrun Guts Oceanclub

But then again (~scape /Indigo) Release-Party 2.10. im Maria mit Jan Jelinek, Bus u.a.

Jubiläumsfestivitäten allerorten, schön im Sog der Popkomm platziert. Sein Fünfjähriges feiert ~scape, Berliner Fachlabel für Elektronisches. Und Jubiläen wollen einen Sampler, der auch hier mit „But then again“ vorgelegt wird, mit lauter noch nicht andersweitig veröffentlichten Neuwaren. Was einerseits Schaufenster für die Außenwirkung ist, und eben fast noch mehr eine Sache der Rückversicherung. Ein Arrondieren des Standorts.

Also ein Bekenntnis. Wobei so ein rumpelndes an alle Pforten pochendes Hier-stehe-ich-und-kann-nicht-anders von ~scape nicht zu erwarten ist. Nicht in der polternden Art des Vortrags. In der Sache aber schon, wie das auch im Infoschreiben zur Kompilation verfasst ist: „~scapes hartnäckiger Hebel des Anspruchs setzt an der austarierten Stelle an, wo die Stärke aus konzeptioneller Dichte und stofflicher Reinheit ein Verbiegen unmöglich macht“, was man nun in einen gleichfalls krummen journalistischen Vergleich übersetzen kann: Wenn Musik Konfektionsware wär, würde man die Angebote von ~scape nicht in der Streetwearabteilung suchen. Das sind keine saloppen Kapuzenpullis. Zwar schon clubtauglich, Tanzmusik in einem erweiterten Sinn. Aber halt als gepflegte Anzugsmode. Fein geschnitten. Klassisch, mit Understatement. Eine Schickness, die nichts Aufgeregtes an sich hat.

Dezentes eben. Präzise gearbeitet, sauber vernäht. Dezenter Dub, dezenter Hiphop, dezent Jazz-nahes, die Balance suchend zwischen Soundexperimentellem und Wohlfühlappeal. Hier geht ZEN: Zuhören. Entspannen. Nachdenken. Oder einfach mit der Elektronik wegdriften, mit Beiträgen aus aller Welt und Berlin, von Thomas Fehlmann, einem sich hier Triola nennenden Jörg Burger, Deadbeat usw. Mit Studien in der Nachhaltigkeit der Monotonie (Anspieltipp unbedingt Jan Jelineks „Western Mimikry“) und wenige Male sogar mit Gesang, wie bei dem verhuschten Song von Masha Qrella, der vom Rechenzentrum angeknispelt wurde. Alles fein. Nichts fällt aus der Rolle. Ich sach mal: ~scape ist das ECM unter den Elektrolabels. Wenig überraschend so, dass trotz der unterschiedlich bespielten Genres „But then again“ sich höchst homogen durchhört. Die Releaseparty wird am Samstag im Maria gefeiert.

Schon zehn Jahre datiert die Entstehung der Platte „Members of the Oceanclub“ von Gudrun Gut zurück, die nun wiederveröffentlicht wurde (Moabit Musik/Indigo). Elektro-Loops und Pop, aus heutiger Perspektive wie ein verträumtes Tändeln am Rand des großen Raves, mit Promigästen wie Blixa Bargeld und Anita Lane, das schon (nicht zuletzt durch die weitere Entwicklung des Trademarks Oceanclub als Party, Radiosendung etc.) als ein Kondensat des Berliner Clublebens betrachtet werden kann. Hier wurden auch Soundästhetiken entwickelt, wie sie beim ~scape-Sampler weiter zu hören sind. Mit personellen Überscheidungen wie Thomas Fehlmann, dem Oceanclub-Mitmacher, der hier bei der beigelegten Remix-CD vertreten ist. Der Oceanclub feiert bereits heute im Maria, mit Chica + The Folder, The Modernist und vielen mehr Geburtstag. THOMAS MAUCH