MANAGEMENT-PANNEN WIE BEI KARSTADT SOLLTE DIE POLITIK VORBEUGEN
: Neoliberale Verwirrungen

Eigentlich kennt man FDP-Vize Rainer Brüderle nicht als dummdreisten Pseudoliberalen, der seine marktwirtschaftliche Überzeugung für einen populistischen Punktsieg über Bord wirft. Jetzt fordert er ein staatliches „Notpaket“ für den Einzelhandel, um die schwankende Firma Karstadt zu retten. Das muss Neoliberalismus sein: Die Konzerne haben alle Freiheiten, Geld zu verdienen. Sind sie zu blöd, schenkt es ihnen der Staat.

Natürlich ist es keine ordnungspolitische Grundsatzfrage, ob der Staat Unternehmen helfen darf oder nicht. Er tut es ja täglich. Kredite, Bürgschaften, Subventionen: Praktisch geht es nur darum, abzuschätzen, wie sinnvoll das Engagement des Staates im Einzelfall ist. In vielen Fällen ist davon abzuraten, denn die Behörden schmeißen kranken Unternehmen viel Geld hinterher, ohne ihren Zustand zu verbessern. Wenn es aber funktionieren soll, muss sich der Staat langfristig binden. Die jahrzehntelange Förderung des deutschen Steinkohlebaus kostet dutzende Milliarden Euro, hat aber immerhin für einen sozialverträglichen Übergang gesorgt. Nur: Welcher Politiker will mehrere hundert Millionen – so viel wären vermutlich nötig – in KarstadtQuelle investieren und damit auch das Aktiendepot der Inhaberfamilie Schickedanz päppeln?

Ratsamer wäre, wenn die Politik rechtzeitig ihre Aufgabe ernst nehmen würde, einen soliden Rahmen zu konstruieren. Per Gesetz müssen die Manager angehalten werden, ihre Unternehmen besser zu führen. Denn jahrelang unterbleibt oft das Notwendige. Modernes Sortiment, moderne Struktur der Kaufhäuser? „Papa“ Walter Deuss, Exvorstand von Karstadt, rauchte lieber noch eine Kippe und wartete mal ab. Gerade die Funktion der Aufsichtsräte muss gestärkt werden: Indem Vorstände nicht mehr in die Kontrollgremien wechseln dürfen, wo sie ihre Fehler selbst nachträglich vertuschen. Indem externe Spezialisten, zum Beispiel Verbraucherschützer, in die Aufsichtsräte einziehen. Gerade Letzteres wäre äußerst hilfreich, um eine zeitgemäße Variante gesellschaftlicher Kontrolle der Wirtschaft zu etablieren. HANNES KOCH