DAUERHAFT KANN DIE BUNDESWEHR AFGHANISTAN NICHT VORANBRINGEN
: Praktizierte Ratlosigkeit

Als hätte es noch eines Beweises bedurft, so hat der jüngste Raketenangriff auf das so genannte regionale Wiederaufbauteam (PRT) der Bundeswehr im nordafghanischen Kundus erneut gezeigt, dass die deutschen Soldaten sich dort nicht einmal effektiv selbst schützen können. Nach der Ermordung chinesischer Bauarbeiter und eines Attentats auf ein Isaf-Fahrzeug ist es bereits der dritte schwere Anschlag in einer Stadt, die noch als relativ sicher gilt. Die Teams der Bundeswehr in Kundus und Faisabad sind von ihrer Anzahl und Größe her viel zu schwach, um die Sicherheit der Bevölkerung grundlegend verbessern zu können. Sie können allenfalls etwas zur „gefühlten Sicherheit“ beitragen, falls sie nicht gar – wie zum Teil die amerikanischen Aufbauteams – durch ihre drastische Verquickung von ziviler und militärischer Hilfe die zivilen Helfer noch zusätzlich gefährden.

Die Aufbauteams sind und bleiben eine fragwürdige Notlösung. Sie stellen den Versuch dar, mit wenigen Soldaten eine Stabilisierung zu bewirken, wofür eigentlich größere Truppenzahlen und vor allem eine wirksame Entwaffnung der Milizen notwendig wären. Da zur Entsendung größerer Truppenkontingente keine Regierung bereit ist, wurde das unausgegorene und halbherzige PRT-Konzept als „Friedenstruppe light“ entwickelt. Es ist der Versuch, irgendwie internationale Präsenz zu zeigen im Bewusstsein, dass Nichtstun oder Rückzug ein Eingeständnis des Scheiterns der internationalen Gemeinschaft und eine Ermunterung für die Gegner einer Befriedigung Afghanistans wäre. „Es gibt keine Alternative“, so gestern das Fazit eines CDU-Abgeordneten: die Mandatsverlängerung durch den Bundestag als praktizierte Ratlosigkeit.

In Afghanistan wird zwar in acht Tagen das Staatsoberhaupt und wohl in sechs Monaten ein Parlament gewählt. Doch was vordergründig nach Stabilisierung und Demokratisierung aussieht, beinhaltet in Wirklichkeit die Gefahr der Legitimierung von Warlords und Drogenbaronen. Solange diese nicht wirkungsvoll entwaffnet und entmachtet sind, bleiben in Afghanistan Wahlen eine Farce und jeder Fortschritt gefährdet. Daran ändert auch dieser Bundeswehreinsatz nichts. SVEN HANSEN