Burundis Radikale zurück auf dem Kriegspfad

In diesem Monat soll Burundi mit freien Wahlen zurück zu Frieden und Demokratie finden. Aber nun stellt Streit um die Machtteilung nach der Wahl den Friedensprozess insgesamt in Frage. Tutsi-Parteien boykottieren Allparteienregierung

BRÜSSEL taz ■ Der Oktober wird für Burundi und damit für das Afrika der Großen Seen insgesamt ein Schicksalsmonat. Bis zum 1. November soll das kleine Land, das in zehn Jahren Bürgerkrieg über 300.000 seiner sechs Millionen Einwohner verloren hat, seine ersten freien Wahlen seit 1993 abhalten. Denn am 1. November geht die dreijährige Übergangsfrist zu Ende, die Burundis politische Kräfte im August 2000 ausgehandelt hatten, um vom damaligen Militärregime unter Präsident Pierre Buyoya zurück zur Demokratie zu finden und zugleich den Krieg von Hutu-Rebellen gegen das Tutsi-kommandierte Militär zu beenden. Aber ein Erfolg wird immer unwahrscheinlicher.

Burundis Präsident Domitien Ndayizeye – ein Hutu, der im Mai 2003 vertragsgemäß die Macht vom Tutsi Buyoya übernahm – hatte schon im Juni die Verlängerung der Übergangsfrist gefordert, um die Wahlen besser vorbereiten zu können. Die Nachbarländer sowie Südafrika, die die Friedensverhandlungen für Burundi organisiert hatten, lehnten das ab. Ndayizeye gab nach. Im August vereinbarten Burundis Parteien eine Fortdauer der bestehenden Hutu-Tutsi-Machtteilung auch nach den Wahlen, damit der vorhersehbare Sieg von Hutu-dominierten Parteien nicht zum Ausschluss der Tutsi-Minderheit aus der Politik führt. Laut Abkommen werden Tutsi auch nach den Wahlen 40 Prozent der Kabinettsposten und Parlamentssitze stellen sowie die Hälfte des Militärs.

Aber die Tutsi-Parteien, zusammengeschlossen im Bündnis G 10, lehnen das Abkommen ab, weil sie den Passus, wonach auch innerhalb jeder Partei Hutu und Tutsi vertreten sein müssen, in dieser Form nicht mittragen. „Eine ethnische Vertretung in den Parteien reicht nicht aus“, sagt Senatspräsident Libère Bararunyeretse von der größten Tutsi-geführten Partei Uprona (Union für den Nationalen Fortschritt). Denn laut Abkommen bräuchten eventuelle Hutu-Wahlsieger in ihren Regierungsentscheidungen keine Rücksicht auf Tutsi-geführte Parteien zu nehmen, solange sie genug eigene Tutsi vorweisen können.

„Wenn Tutsi sich in Hutu-geführten Parteien einschreiben, müssen sie aber trotzdem den Vorgaben der Parteiführung folgen“, kritisiert Bararunyeretse. „Wir verlangen, dass die G 10 nach den Wahlen an den Institutionen beteiligt wird, um die Interessen der Tutsi zu verteidigen sowie all jener, die von der nach wie vor in der Region lebendigen Völkermordideologie bedroht sind. Nur dies garantiert die Sicherheit jener, die sich nicht in den Hutu-Parteien wiederfinden. Wir verlangen, dass keine wichtige Entscheidung ohne uns getroffen werden kann.“

Um ihrer Position Nachdruck zu verleihen, startete die G 10 einen Boykott von Parlament und Kabinett. In Reaktion trat Burundis Präsident Ndayizeye die Flucht nach vorn an: Am 15. September rief er für den 20. Oktober ein Verfassungsreferendum aus. Den Verfassungsentwurf ließ er zwei Tage später vom Übergangsparlament per Akklamation absegnen. Die Tutsi-Parteien sagen, dass solche Entscheidungen nicht während ihres Boykotts hätten getroffen werden dürfen, weil damit das fällige Quorum fehlte. So lehnen sie nun auch den Verfassungsentwurf ab und klagen vor dem Obersten Gericht.

„Wenn unsere Klage vor dem Obersten Gericht scheitert, werden wir uns anders organisieren, um das Referendum zu verhindern“, droht Senatspräsident Bararunyeretse. Die G 10 werde „alle legalen und gewaltfreien Mittel“ einsetzen. Überhaupt findet er, dass das Referendum so schnell nicht geht: „Logistisch sehe ich nicht, wie man in weniger als vier Wochen Wähler registrieren und neue Personalausweise herstellen und ausgeben kann.“ In über der Hälfte des Landes wurden nach seinen Angaben die Melderegister während des Bürgerkriegs zerstört.

Aber auch die Gegenseite steht Gewehr bei Fuß. Die einstigen Hutu-Rebellengruppen, die heute mit in der Übergangsregierung sitzen, haben ihre Waffen noch nicht abgegeben. Die kleine radikale FNL (Nationale Befreiungsfront) kämpft ohnehin weiter, vor allem in den Bergen rund um die Hauptstadt.

So sortieren sich die politischen Lager Burundis erneut entlang der Hutu-Tutsi-Konfrontation, zu deren Überwindung eigentlich der Friedensprozess dienen sollte. Erste aus Tansania nach Burundi zurückgekehrte Hutu-Flüchtlinge haben sich sicherheitshalber schon wieder auf den Weg zurück ins Nachbarland gemacht. FRANÇOIS MISSER