Zweifelhafter Terrorvorwurf in Halle

Ab heute wird drei Magdeburger Linken der Prozess gemacht. Anklage: Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Womöglich ist die jedoch schon aufgelöst. Grundlage der Anklage: Brandanschläge, unter anderem auf eine Autohandlung

aus Berlin HEIKE KLEFFNER

Heute beginnt im Hochsicherheitstrakt des Justizzentrums Halle der Prozess gegen drei junge Männer aus Magdeburg, denen die Generalbundesanwaltschaft Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach Paragraf 129a StGB vorwirft. Für die Erste Strafkammer des Oberlandesgerichts Naumburg ist es das erste 129a-Verfahren gegen Linke.

Marco H. (24), Daniel W. (22) und Carsten S. (23) sollen seit August 2001 unter Bezeichnungen wie „kommando globaler widerstand“ oder „kommando freilassung aller politischen gefangenen“ für drei Brandanschläge in Magdeburg verantwortlich sein. Dazu rechnen die Ermittler Brandanschläge auf eine DaimlerChrysler-Niederlassung (Sachschaden: 150.000 Euro) und auf zwei Fahrzeuge der Telekom, außerdem einen erfolglosen Brandflaschenwurf auf das Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt und einen gescheiterten Anschlag auf einen Wagen des Bundesgrenzschutzes im März 2002. In einem Bekennerschreiben in der Berliner Szenezeitschrift interim wurden die Aktionen mit brutalen Polizeieinsätzen und dem Ziel begründet, „militante Politik in den Köpfen der Bevölkerung verankern“ zu wollen.

Aufsehen erregte das Verfahren schon vor dem Prozess: Bei Hausdurchsuchungen hatten die Ermittler neben Fahrradbirnen, alten Feuerwerkskörpern und einer Flachbatterie, die als „typische Elemente zur Erstellung eines Sprengsatzes“ beschlagnahmt wurden, auch eine so genannte Auflösungserklärung gefunden. Selbst die Bundesanwaltschaft geht daher in der Anklage davon aus, die „terroristische Vereinigung“ habe sich im Mai 2002 aufgelöst. Grund genug für die Naumburger Richter, anzumerken, dass dann eine Bestrafung wegen „Mitgliedschaft“ in einer solchen Vereinigung ausgeschlossen sei. Diese Frage müsse in der Hauptverhandlung geklärt werden, entschied diesen Monat der Bundesgerichtshof. Und so ist es zur Haftentlassung der drei Beschuldigten, wie sie das OLG Naumburg befürwortete, bislang nicht gekommen.

Verteidigung wie Bundesanwaltschaft reagierten auf die richterlichen Signale. Die Karlsruher Ermittler wollen nun auch noch einen Fortbestand der „terroristischen Vereinigung“ beweisen. Rechtsanwalt Sven Lindemann, Verteidiger von Marco H., glaubt, damit würden sie „Schiffbruch erleiden.“ Das gesamte Verfahren diene der „Kriminalisierung von öffentlich agierenden Linken“. Die drei Beschuldigten gehörten zu einer Gruppe namens Autonomer Zusammenschluss, die in Magdeburg ein Haus besetzt hatte und sich in antifaschistischen Initiativen engagierte. Gegen fünf weitere linke Aktivisten des Autonomen Zusammenschlusses ermittelt die Bundesanwaltschaft ebenfalls.

Einschüchtern lassen will man sich in Magdeburg nicht. Hier soll es gemeinsam mit Unterstützergruppen aus Göttingen, Berlin, Hamburg und Frankfurt am Main am Samstag eine Demonstration geben. Hauptforderung: Freilassung von Marco H., Daniel W. und Carsten S.