Nach Kioto: Kioto II

Auch mit dem Kioto-Protokoll geht der CO2-Ausstoß ungebremst weiter. USA, China, Indien sollen „ins Boot“

BERLIN taz ■ Es war seit Jahren der Running Gag bei den Klimaschützern: Russland ratifiziert. Russland ratifiziert nicht. Russland ratifiziert. Sollte das Kioto-Protokoll nun in Kraft treten, sind aber die Probleme des internationalen Klimaschutzes nicht gelöst. Sie fangen gerade erst an.

Denn die Emissionen steigen ungebremst weiter. Nach neuesten Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin erhöhte sich 2002 der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen um etwa vier Prozent. Im Kioto-Protokoll hatten sich die Industriestaaten 1997 verpflichtet, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2012 um insgesamt 5,2 Prozent zu verringern. Davon sind diese Länder aber weit entfernt. Die westlichen Industriestaaten blasen nach den DIW-Zahlen nicht weniger, sondern etwa 8 Prozent mehr Treibhausgase in die Luft. UN-Experten fürchten, dass die Industriestaaten bis 2010 ihren Ausstoß um 17 Prozent steigern werden. Größte Klimasünder sind die USA, Japan, Kanada, Spanien und Australien. Die USA und Australien sind aus dem Kioto-Prozess auch offiziell ausgestiegen. Ob Deutschland sein anvisiertes Klimaziel von 21 Prozent Minus in 2012 erreicht oder knapp verfehlt, ist unter Umweltschützern einerseits und der Bundesregierung andererseits umstritten.

Wenn das Protokoll in Kraft tritt, werden die Klimaschützer feiern – und sich dann auf die nächsten Aufgaben stürzen. Die drängendste ist die Umkehr des Trends beim globalen Ausstoß von Treibhausgasen. Denn während Wissenschaftler fordern, die Emissionen weltweit bis 2050 um bis zu 80 Prozent zu reduzieren, rechnet etwa die US-amerikanische Energy Information Administration für den gleichen Zeitraum mit einer Zunahme um 75 Prozent. Für „Kioto II“, die Festschreibung von Klimaschutzzielen von 2012 bis 2017, müssten auch „Schwellenländer“ wie China, Indien, Indonesien, Südafrika oder Brasilien Obergrenzen für den Ausstoß von Treibhausgasen akzeptieren, fordern Umweltschützer. Denn die Entwicklungs- und Schwellenländer haben allein 2002 ihren Ausstoß um 9 Prozent gesteigert. Im Vergleich zu 1990 blasen diese Staaten mit gewaltigem wirtschaftlichen Nachholbedarf fast 60 Prozent mehr CO2 in die Luft. Doch beim Pro-Kopf-Ausstoß erreichen auch Länder mit extrem qualmenden Schornsteinen wie China und Indien nur einen Bruchteil der europäischen oder amerikanischen Gesellschaften.

Daher sei es auch für die weiteren Verhandlungen wichtig, „vor allem die USA wieder ins Boot zu holen“, sagt Regine Günther, Klimaexpertin der Umweltorganisation WWF. Das aber wird nicht einfach. Selbst unter einem demokratischen Präsidenten wäre das Kioto-Protokoll im US-Kongress kaum mehrheitsfähig. Daran war bereits Präsident Bill Clinton gescheitert. Stolz präsentierten die US-Senatoren der damaligen deutschen Umweltministerin das Protokoll der Abstimmung: „98 von hundert haben mit Nein gestimmt“, erklärten sie der verdutzten Angela Merkel. „Und glauben Sie nicht, zwei hätten zugestimmt. Die waren krank.“

BERNHARD PÖTTER