berliner szenen Beim Friend Date

Mitleid nach Plan

Ich wusste schon vorher, wieso ich sie nicht begleiten wollte. „Das wird lustig, wir trinken was mit Thomas, füllen den Bogen aus und gehen wieder“, versprach sie mir zu Beginn des Abends. „Aber ich kenn gar keinen Thomas“, versuchte ich sie umzustimmen. „Na klar kennst du Thomas. Du meintest mal, er sieht aus wie die dicke Version von Günter Verheugen.“

Ich konnte mich nicht erinnern, doch mir gruselte es beim Gedanken an Thomas und seine beziehungssuchenden Freunde. Also schnell was Abstoßendes angezogen, nicht geduscht und auf zum „Friend Date“. Freunde von Freunden veranstalteten im erweiterten Freundeskreis eine Blind Date Party. Da wenige Dinge so viel Mitleid erregen wie Singlepartys, beschloss ich meine berühmt-berüchtigte Antihaltung exzessiv zur Schau zu stellen. Während sich einige der Anwesenden Mut antranken, wurden Schlafbrillen und Fragebögen verteilt. „Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen“, schrieb Dürrenmatt, doch hätte er an diesem Abend neben mir an der Bar gesessen, er hätte seine Aussage zumindest überdenken müssen. Genauso generalstabsmäßig wie die Aufmachung liefen auch die „blinden“ Gespräche. Ja, hallo, ach sieh mal einer an, nein, tschüss. Ich entschuldigte mich mehrmals für mein verfrühtes Verschwinden und verschwand.

An der Theke der Erdbeerbar berichtete ich echten Freunden von dem gerade Erlebten. Eine junge Frau schien interessiert und wollte mehr hören. Ungebeten setzte sie sich neben mich, und während die Suchenden einige hundert Meter weiter Fragebögen ausfüllten, lästerten wir über programmierte Erlebnisse, Singlepartys und Günter Verheugen. JURI STERNBURG