Soldaten und Spione

Das Areal des ehemaligen Stadions der Weltjugend hat eine lange Geschichte: Von Gewehrkugeln zu Golfbällen

Nun also der BND, der Bundesnachrichtendienst. Viele Nutzer hat die Brachfläche an der Chausseestraße in Mitte schon gesehen: Kaserne, Stadion der Weltjugend, Golfplatz. Und mit vielen, vielen Ideen sollte Leben auf das Gelände zwischen Ost- und Westberlin gebracht werden: Olympiahalle, Vergnügungspark, Ökowohn-Quartier. Aber der Reihe nach.

Zu Beginn des Jahrhunderts war das Gelände militärisch genutzt. Kasernen, Exerzierflächen, Invalidenhaus, Invalidenfriedhof, Krankenhäuser. Richtig unruhig wurde es hier am 9. November 1918. Demonstrierende Arbeiter, die aus den Fabriken des nördlichen Berlins in die Innenstadt zogen, wollten sich mit revoltierenden Soldaten in den Kasernen verbünden, stürmten das Truppenquartier. Wachmannschaften eröffneten das Feuer, drei Arbeiter starben durch die Kugeln – unter ihnen der 26-jährige Erich Habersaath, an den heute die angrenzende Habersaathstraße erinnert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg baute die DDR 1950 auf dem Gelände das „Walter-Ulbricht-Stadion“. Im Sommer 1973 wurden in dem dann in „Stadion der Weltjugend“ umbenannten Stadion die Weltfestspiele der Jugend eröffnet. Sie blieben als Ereignis relativer politischer und sexueller Freizügigkeit im ostdeutschen Gedächtnis hängen. Hunderttausende DDR-Jugendliche waren nach Berlin gekommen, trafen sich mit mehr als 25.000 ausländischen Gästen. Das Ergebnis: Die rund 4.000 Stasi-Mitarbeiter im Einsatz konnten einfach nicht alles überwachen, verloren zum Teil die Kontrolle – ein Mythos der Nach-Ulbricht-Ära war geboren.

Nach der Wende war auch das Stadion, in dem zuvor alljährlich die DDR-Fußballpokalendspiele stattgefunden hatten, überflüssig geworden. Im Zuge der Berliner Bewerbung für Oympia 2000 wurde es abgerissen. Hier sollte eine riesige Olympiahalle entstehen. Doch die Bewerbung wurde 1993 in den Sand gesetzt. Neben dem Neubau der Max-Schmeling-Halle in Prenzlauer Berg und dem Velodrom an der Landsberger Allee war eine dritte Halle nun überflüssig, das Gelände lag jahrelang brach.

Diverse Interessenten stritten sich fortan um das Areal: Im Gespräch waren Wohn- und Geschäftshäuser, ein Vergnügungspark, auch ein Projekt für innerstädtisches autofreies Wohnen. Realisiert wurde nichts von alldem. Stattdessen ist ein riesiger innerstädtischer Golfplatz entstanden – bis die Spione vom deutschen Auslandsgeheimdienst kommen. RICHARD ROTHER