„Ämterhäufung ist keine Prinzipienfrage“

Stefan Liebich erklärt, welche Möglichkeiten die Personalunion von Partei- und Fraktionsvorsitz bietet

taz: Herr Liebich, kann ein 30-Jähriger schon unersetzbar sein?

Stefan Liebich: Nein, diese Vorstellung wäre anmaßend.

Sie sind Partei- und Fraktionsvorsitzender in Personalunion und möchten diesen Zustand auch beibehalten.

Aber doch nicht, weil ich mich für unersetzbar hielte! Für die Entscheidung habe ich zurückgeblickt: Was war bisher in diesen Funktionen möglich? Und was nicht?

Welche Möglichkeiten bietet denn die Besetzung beider Posten durch eine einzige Person?

Für die PDS war die Regierungsbeteiligung ein Lernprozess. Zu Beginn der Koalition hatten wir uns als Landesvorstand eine intensivere Begleitung des Regierungshandelns vorgenommen, aber die Umschlagsgeschwindigkeit von konkreten Entscheidungen ist für ein ehrenamtliches Gremium einfach zu hoch.

Deshalb braucht man Profis, die gleich alles in der Hand haben?

Nein. Meine Doppelfunktion entstand doch in einer Notsituation. Nachdem Gregor Gysi hingeschmissen hat, bin ich der Bitte gefolgt, beide Ämter zu übernehmen. Viele fragten damals: Ist das überhaupt leistbar? Nun: Es ist leistbar, wenn man Unterstützung hat, wie ich sie habe. Zudem hat der Landesparteitag entschieden, die so genannte Ämterhäufung sei bei uns keine Prinzipienfrage. Und mit dem neuen Bundesvorstand um Lothar Bisky herrscht ein Grundvertrauen. Wir sind jetzt in einer Situation, in der die PDS wieder zu funktionieren beginnt. Lothar Bisky hat mich gebeten, diese Situation nicht ohne Not zu gefährden. Dieser Bitte entspreche ich und kandidiere noch einmal.

Neben ihren beiden Funktionen haben Sie noch eine virtuelle dritte: Die Öffentlichkeit nimmt Sie als Senatsmitglied wahr.

Das liegt daran, dass ich als Fraktionsvorsitzender an den Senatssitzungen teilnehme. Der Vorteil dabei ist, dass ich früh in Entscheidungsprozesse einbezogen bin. Allerdings birgt dies die Gefahr, dass Senatoren denken, parlamentarische Entscheidungen sind schon getroffen. Das ist bei uns aber eindeutig nicht so. Im Gegenteil: Es ist mir gelungen, die Rolle des Parlamentes gegenüber dem Senat zu stärken. Nehmen wir das Facility-Management oder den Stellenpool. Hier hat das Abgeordnetenhaus Senatsprojekte nach seinen Vorstellungen umgestaltet.

Innensenator Körting hat kürzlich ein Kopftuchverbot angekündigt, ohne sich für die Position des Koalitionspartners überhaupt zu interessieren.

Ja, da war Körting schon ein bisschen schnell. Wir haben unsere Skepsis im Senat zum Ausdruck gebracht: Jetzt haben wir ein Klima erreicht, in dem wir ergebnisoffen diskutieren, was für ein tatsächlich vorhandenes Problem die adäquate Antwort ist.

Ist die PDS für ein Kopftuchverbot oder dagegen?

Bei dieser Frage gibt es keine einfache Antwort.

Der Stadtentwicklungssenator sorgt eigenmächtig dafür, dass der BND in den Bezirk Mitte ziehen kann.

Auch hier hat die SPD zu früh Entscheidungen öffentlich gemacht. Wir sollten jedoch unsere Meinung nicht aus einer Position der Vergnatztheit heraus bilden. Hier müssen wir unsere grundsätzliche Position zu Geheimdiensten und nachvollziehbare Argumente aus stadtentwicklungspolitischer Sicht abwägen mit der Tatsache, dass eine Bundesinstitution mit tausenden Arbeitsplätzen sich in Berlin ansiedelt. Auch wenn wir hinter den Standort ein Fragezeichen setzen: Ich fürchte, Berlin kann den Wunsch des BND, sich in Mitte anzusiedeln, nicht ablehnen.

Einen objektiven Nachteil haben Ihre Posten. Sie müssen an Senatssitzungen teilnehmen, dürfen aber nicht mit auf Dienstreisen …

Außerdem bin ich als Fraktionsvorsitzender kein Ausschussmitglied und verpasse auch noch die Ausschussreisen. Ich muss also sehen, dass ich privat in der Welt herumkommen. Im Ernst: Klaus Wowereit schien mir sehr zerknirscht über die Berichterstattung zu seiner Mexiko-Reise, insbesondere in der Boulevardpresse.

Er schrieb selbst eine tägliche Kolumne in der Bild- Zeitung.

Die Kommunikation ist nicht optimal gemanagt worden. Aber an der Substanz der Reise gibt es nichts zu kritisieren.INTERVIEW: ROBIN ALEXANDER