Hingehen, wo es wehtut

Die tägliche taznrw hat sich etabliert – als Stimme des Anti-Establishments

„Kippt Schröder in Castrop?“ Castrop meint eine in ihrer Bedeutung noch ausbaufähige Kleinstadt im Ruhrgebiet. Und so eine Frage kann nur die taz stellen. Vor allem, wenn im Bundesland Kommunalwahlen anstehen. Derartiges kann man in NRW – und in Castrop – jetzt täglich lesen, denn seit 8. Dezember erscheint die taz in Nordrhein-Westfalen mit täglichen Zusatzangeboten. So gibt es täglich für das größte Bundesland zwei Seiten Landesberichterstattung. Für die Leserinnen und Leser in und um Köln berichtet die taz zusätzlich täglich auf zwei Seiten über das Stadtgeschehen. Und zudem wird in Bochum ein zweiseitiger Regionalteil für das Ruhrgebiet produziert, natürlich ebenfalls täglich.

Mitten in Köln sitzt die Redaktion der tazköln in der Maastrichter Straße, unweit vom Ring und direkt über einer, nun ja, Tabledance-Bar. Das Team um den Ex-Schwerpunktredakteur der taz, Henk Raijer, prüft die wechselnde Rathausmehrheit, sichtet christdemokratische Hahnenkämpfe, Skandale und Korruptionsprozesse, widmet sich den Sorgen der Kulturszene, den Debatten über Stadtentwicklung oder der Suche nach einem kölnischen Leitbild. Die taz ist dabei nicht festgelegt auf die eine Rheinseite. Die kölschen Geschichten erzählen auch mal von einem basisdemokratischen Eifeldorf.

Im Ruhrgebiet, wo die Sozialdemokratie einst Volksglaube war, müssen Wählerinnen und Wähler noch mal ran. In mehr als 30 Kommunen und Kreisen kommt es am 10. Oktober zu Stichwahlen und die Redaktion der tazruhr sitzt mittendrin: im „Bermuda-Dreieck“ von Bochum. Gleich neben dem Eingang fällt man in die bekannteste Currywurstbude Westdeutschlands. Und alles was heiß und fettig ist im Ruhrgebiet, kommt in die Zeitung: Wenn ein allzu forscher Ruhrfestspielleiter verjagt wird, wenn der Flughafenausbau in Düsseldorf lieber erst nach den Kommunalwahlen bekannt werden soll oder ein Krankenbesuch im Abschiebeknast endet. Die taz schreibt auf, was andere Medien lieber liegen lassen im Großraum zwischen Wuppertal und Münster, Wesel und Paderborn. Und will dabei immer auch eines: überraschen.

Eng verzahnt ist das mit dem Innenleben, der eigentlichen taznrw – auch sie entsteht in Bochum. Als einzige Zeitung im Bundesland leistet sich die taz jeden Tag eine Seite „land tag“ und bringt dort alles von Ahaus bis ZVS, von der taz-exklusiven „Fluppenaffäre“ der schmuggelnden FDP bis zum Dieselschluckspecht des grünen Ministers. Der „land tag“ lebt von der Mischung aus Kolumne und Nachrichten und bildet wie tazzwei eine Ergänzung zu den wechselnden Ressortseiten. Weil nicht alles stattfinden kann, sondern das Wesentliche gefunden werden soll, gibt es auf der dritten Seite Tagesschwerpunkte – Sport, Wirtschaft, Kultur und alle zwei Wochen die „besser wissen“-Seite. Denn NRW ist auch Land der Dichter und Denker, der Forschung und Lehre.

Schröder ist nicht gekippt. Den Kanzler kratzen Kommunalwahl und tazruhr wenig. Noch. Doch folgenlos blieb die taz-Frage nicht: Ausgerechnet Castrops CDU-Oberbürgermeister muss in die Stichwahl, ein taz-Artikel über seltsame Pensionsansprüche des Stadtoberhauptes verhagelte Nils Kruse den Wahltag. CHRISTOPH SCHURIAN

Der Autor ist Redaktionsleiter taznrw