Streiken statt stricken

In der westdeutschen Textilindustrie hat der Arbeitskampf begonnen. Gewerkschafter wehren sich gegen die Aushöhlung des Flächentarifs

Tarifverträge sind keine unverbindlichen Preisempfehlungen

VON ELMAR KOK

Pünktlich zum Ende der Friedenspflicht haben gestern die Warnstreiks in der Textilindustrie begonnen. Schwerpunkt der Gewerkschaftsaktionen vor den Toren der Kleidungshersteller war der Raum Herford. Hier sitzt der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, der Textilunternehmer Werner Brinkmann.

Rund 700 Beschäftigte demonstrierten gestern vor seinem Unternehmen. NRW-weit hatten 1.500 Beschäftigte die Arbeit kurzzeitig niedergelegt. Sie wenden sich gegen die Auflösung der Flächentarifverträge. Die Arbeitgeber hatten in den drei Verhandlungsrunden zuvor auf ihrem Standpunkt beharrt, den Betrieben größere Möglichkeiten zu Haustarifen zu ermöglichen. Die Gewerkschaft solle dies zusagen, dann würde auch über Lohnerhöhungen verhandelt, so die Arbeitgeber. Die Gewerkschaft IG Metall, die für die Texilarbeiter zuständig ist, lehnt diese Forderungen ab. „Wir streiten für Tarifverträge, die in allen Betrieben verbindlich gelten“, sagt Detlef Wetzel, Landesbezirksleiter der IG Metall in Nordrhein-Westfalen. Es sei nicht im Sinne der Gewerkschaft, dass die Arbeitgeber die Möglichkeit hätten, den Betrieben die Übernahme der Tarifergebnisse freizustellen, sagt Wetzel. Eine generelle Öffnungsklausel werde es mit der IG Metall nicht geben.

Die Metaller fordern für die Arbeitnehmer eine Lohnerhöhung von 3,5 Prozent. Zudem solle der seit 1997 bestehende Weiterbildungstarifvertrag ausgebaut, die Verträge über Altersteilzeit verlängert und eine Vereinbarung zur Übernahme Ausgebildeter geschlossen werden. Auch im Raum Wuppertal wurden drei Betriebe von der IG Metall bestreikt. Jürgen Steidel, Sprecher der Arbeitgeberverbände Wuppertal, hält die Forderungen der Arbeitgeber für legitim. „Firmen muss es möglich sein, mit dem Betriebsrat individuelle Lösungen vereinbaren zu können“, sagt er. Schließlich seien die Strukturen im Textilgewerbe sehr unterschiedlich. Da die IG Metall nicht bereit gewesen sei, über diesen Punkt zu verhandeln, habe man sich aus den Gesprächen verabschiedet. „Denn das ist der Knackpunkt“, sagt Steidel.

Über Gehälter wollen die Arbeitgeber erst nach Abschluss aller anderen Verhandlungen verhandeln. Bisher sei „kein Verhandlungsspielraum vorhanden“ heißt es in einem Papier zu den Verhandlungen mit der Gewerkschaft. Zudem lehnen die Arbeitgeber eine Verlängerung des Tarifvertrages zur Altersteilzeit ab. Die Gesetzeslage in diesem Bereich sei ausreichend, daher müsse es keine zusätzliche Tarifregelung in diesem Bereich geben. Auch die Übernahmeverpflichtung von Ausgebildeten solle wegfallen, denn so die Arbeitgeber, „wir wollen Ausbildungshemmnisse abbauen“. Die tarifliche Regelung der Aus- und Weiterbildung wollen die Textilunternehmer so weiterführen wie bisher, ohne die von der IG Metall in der neuen Tarifrunde gewünschten zusätzlichen Qualifizierungsmaßnahmen. Werde die Gewerkschaft nicht flexibler, drohen die Arbeitgeber, könne die Beschäftigungslage nicht verbessert werden, noch „die Erosion der Tarifbindung gestoppt werden“.

Für Wetzel sind die Forderungen der Arbeitgeber unhaltbar. „Tarifverträge kann es nicht als unverbindliche Preisempfehlung geben. Tarifabschlüsse müssen bindend und verpflichtend bleiben, sonst sind sie bedeutungslos“, sagte er. Zu drohenden Aussperrungen durch die Arbeitnehmer sagte Wetzel: „Die Arbeitgeber sollen die Kirche im Dorf lassen. Wir fordern sie zur Vernunft auf.“