US-VORSCHLAG BEDROHT DIE AUTORITÄT DES KRIEGSVERBRECHERTRIBUNALS
: Unselige Schacherei

Der Vorgang erinnert an Schacherei: Gib du mir Mladić, lass ich deine vier Generäle unbehelligt. Auch wenn dieser Vorschlag nicht vom Weißen Haus selbst, sondern nur von dem US-Botschafter für Kriegsverbrecherfragen, Pierre-Richard Prosper, kommt, so zeigt er doch das inzwischen gebrochene Verhältnis der USA zum internationalen Recht. Denn einfach aus dem Bauch heraus wird Prosper nicht reden können.

Ob das nun mit den Europäern abgestimmt ist oder nicht, das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag und Chefanklägerin Carla Del Ponte stehen nun im Regen. Denn die Anklagen, die sie gegen die drei serbischen Generäle des Milošević-Regimes und den amtierenden serbischen Polizeichef Sreten Lukić nach langen Recherchen vorbereitet haben, werden nun von den Amerikanern über den Haufen geworfen. Die Unabhängigkeit des Gerichts ist dahin, Regeln scheinen außer Kraft gesetzt.

Zugegeben, die Bush-Regierung steht unter einem enormen Druck. Nicht einer der großen Fische, weder Saddam noch Bin Laden, weder Karadžić noch Mladić, sind bisher ins Netz der Fahnder gegangen. Langsam muss der innenpolitisch bedrängte Bush Erfolge auf diesem Feld vorweisen. Ein Mladić macht zwar noch keinen Saddam, aber immerhin.

Für die Europäer bleibt jetzt nichts anderes, als gegen den Vorschlag Prospers gegenzusteuern. Die Autorität Carla Del Pontes darf nicht in Frage gestellt werden, sonst bricht die gesamte Konstruktion des Kriegsverbrechertribunals zusammen. Und sie ist so unendlich wichtig, um objektive und unumstößliche Tatsachen über die Verbrechen im ehemaligen Jugoslawien festzustellen. Auch wenn die jetzt amtierenden relativ reformorientierten Regierungen in Serbien und Kroatien durch die Forderungen des Tribunals innenpolitisch unter Druck geraten. Nur so kann letztlich in beiden Staaten ein Klärungsprozess stattfinden, der zur Demokratisierung beiträgt und die Integration nach Europa befördert. Aber vielleicht wollen die Amis Letzteres ja gar nicht. ERICH RATHFELDER